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Die Collage "Point n' Shoot" von Martha Rosler.

© Galerie Nagel Draxler Berlin/Köln

Kunst zum Rechtspopulismus: Raus aus der Echokammer

Was kann Kunst dem Aufstieg des Rechtspopulismus entgegensetzen? Die Schau "Global National" im Haus am Lützowplatz geht dieser Frage nach.

„Wer hat’s gesagt – Höcke oder Hitler?“ lautet ein Quiz, das kürzlich in der Zeitschrift „Vice“ abgedruckt war. Es ist schwierig geworden auseinanderzuhalten, was einer der schlimmsten Diktatoren der Geschichte gesagt hat und was ein prominentes Mitglied einer Bundestagspartei. Rechtspopulismus ist in Europa auf dem Vormarsch. Seine Anhänger wehren sich gegen gesellschaftliche Entwicklungen wie die Ehe für alle, Feminismus und eine offene Gesellschaft, die ihr Weltbild bedroht. Rassismus und das Gefühl, von „denen da oben“ nicht gehört zu werden, bedienen in Deutschland die AfD, in den USA Donald Trump und in Frankreich Marine le Pen. Was kann Kunst dem entgegensetzen, wie damit umgehen?

Diesen Fragen geht die Ausstellung „Global National – Kunst zum Rechtspopulismus“ im Haus am Lützowplatz nach. 13 Künstler aus acht Ländern setzen sich mit dem Rechtsruck auseinander, der durch den Westen geht. Dabei verschwimmen oft Grenzen zwischen Objekt, Installation und Performance. Die Berliner Künstlerin Christine Würmell hat Plakate des Bundesinnenministeriums fotografiert, die Asylsuchende zur Rückkehr in ihre Heimatländer animieren sollten und aus Protest mit Farbbeuteln beworfen wurden. Aus den Fotos hat sie Schilder gefertigt, die Besucher in einer Art Mini- Demo frei herumtragen können. Politische Kunst will hier raus aus der Bubble, aus der Echokammer, hinein ins Leben der Besucher. Das darf dann auch unangenehm sein. So reihen sich in Martha Roslers Collage hinter einem Donald Trump, der mit der Hand eine Pistole mimt, und seinem Zitat, er könne morgen problemlos auf dem Times Square jemanden erschießen, stumm die Namen unbewaffneter people of colour, die in den USA erschossen wurden.

Angst des weißen Mannes vor Bedeutungsverlust

Ein häufiger Vorwurf an politische Kunst ist, dass sie ihre Botschaften zu direkt vermittle und Ästhetik vernachlässige. Ganz so einfach ist es nicht: „Wir wollten Werke, die ein Oberflächenverstehen bieten. Kunst ist heute komplett elitär – davon müssen wir weg“, sagt Raimar Stange, Kurator der Ausstellung. Vermutlich sind die comicartigen Zeichnungen von Dan Perjovschi manchen zu platt. Seine Strichmännchen wimmeln auf weißem Papier, zeigen Realität und Vorurteil: ein Mensch mit einem kleinen Kind auf dem Rücken, daneben ein Mensch mit einer Bombe auf dem Rücken. Oder eine Figur, aufgehängt in der Schlinge des „R“ von „FEAR“. Doch einfache Botschaften können ästhetisch sein – und wirken.

Rechtspopulismus führt einen Kampf um Identität. Teils ist er eine Reaktion auf die Wirtschaftslage, auf ein diffuses Gefühl von Ungerechtigkeit, auf die Öffnung der Gesellschaft für Minderheiten. Der österreichische Filmemacher Oliver Ressler greift die Angst des weißen, westlichen Mannes vor dem Bedeutungsverlust auf: Er zeigt mehrere Männer in Anzügen, scheinbar schlafend oder bewusstlos. Das Ende des Neoliberalismus, ein Giftgasangriff? Nicht immer sind die Werke nur in eine Richtung deutbar.

Herzstück der Schau und zunächst unspektakulär ist ein lilafarbener Grundriss – Sinnbild für die Wunden, die durch rechten Terror entstehen, und für das Unvermögen von Politik und Justiz, sie zu versorgen, zu heilen. Es handelt sich um ein „virtuelles Haus“, ein Entwurf des Berliner Künstlers Ulf Aminde für ein Mahnmal zum Gedenken an die durch den sogenannten NSU verübten Anschläge 2001 und 2004. Zu sehen ist der Grundriss eines Hauses in der Kölner Keupstraße, die ein Zentrum türkischen Geschäftslebens ist. Das Haus wurde damals zerstört. Per App lassen sich virtuelle Wände auf dem Smartphone aufrufen, Hintergründe zu den Attentaten und Videos von Anwohnern. Es geht darum, Raum zurückzuerobern, der durch Gewalt in Besitz genommen wurde. Geplant war das Mahnmal für den Platz am Ende der Keupstraße, doch die Eigentümer des Grundstücks stellten sich quer. Die Stadt Köln, die den Entwurf ausgesucht hat, verfolgt das Projekt nicht weiter – symptomatisch und umso bitterer für diejenigen, die seit Jahren vergeblich auf Gerechtigkeit hoffen. Das Projekt wurde bis heute nicht verwirklicht. So fungiert Amindes Werk in der Ausstellung als doppeltes Mahnmal: für die Opfer des „NSU“ und als Erinnerung daran, wie schnell die Gesellschaft die Bedrohung von rechts vergisst.

Haus am Lützowplatz, bis 26. Mai, Di-So 11-18 Uhr

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