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Schichtarbeit. Franziska Holstein hat Farben auf Papierbögen aufgetragen.

© Galerie Klaus Gerrit Friese

Kunst und Markt: Zufall und System

Hundert von Farben: Die Galerie Klaus Gerrit Friese zeigt „Malerei auf Papier“ der Berliner Künstlerin Franziska Holstein.

Es gibt Bilder, die man wegen ihrer Aura immer um sich haben möchte. Franziska Holsteins „Malerei auf Papier“ gehört dazu. In der Galerie Gerrit Friese zeigt Holstein unter anderem ein Grid aus vier mal acht Bildern (64 000 Euro). Eigentlich umfasst die Serie 108 Werke. Manche sind monochrom, bei anderen treffen zwei Farbtöne aufeinander, etwa Rosa und Hellbraun oder Grau und Grün. Der Reiz dieser extrem reduzierten Bilder ergibt sich aus ihrer ausgeprägten Materialität.

Es sind dicke, schwere Farbplatten, die Holstein, Jahrgang 1978, in eigens dafür entwickelten, erhabenen Rahmen präsentiert und dicht nebeneinanderhängt. Holstein trug für diese Serie Hunderte von Farbschichten auf Papierbögen auf, bemalte jeweils beide Seiten, hinten wie vorne, ein Farbton über dem anderen.

So viele Schichten sind es, dass man nicht mehr auf die Idee kommt, dass der Malgrund ein Zeichenpapier sein könnte. Die Kraft der Farbe erlebt man dank der glaslosen Rahmen ganz unmittelbar. Welche Töne übereinanderliegen, erfährt man allerdings nicht. Acrylfarbe dichtet ab. Die Historie der Farbaufträge ist nur insofern wahrnehmbar, als sich andersfarbige Ränder abzeichnen oder die Fingerspuren der Künstlerin eine zuvor aufgetragene Farbe sichtbar werden lassen.

Auf Gegenständliches verzichtet sie komplett

Mit diesen Arbeiten ist Holstein derzeit auch bei der Überblicksausstellung „Jetzt! Junge Malerei in Deutschland“ vertreten. Dort fallen ihre farbintensiven Tableaus insofern auf, als die gebürtige Leipzigerin auf Gegenständliches komplett verzichtet, während viele ihre Zeitgenossen genau das Gegenteil tun.

Viele malen glatte, rund geschliffene Objekte und Körper. Davon hat Holstein sich im Moment verabschiedet. Auch wenn sie früher, in ihrer Anfangszeit als Meisterschülerin bei Neo Rauch und Arno Rink an der Leipziger Hochschule für Grafik und Buchkunst, noch figurativ malte.

Doch inzwischen geht es ihr mehr denn je um den Reichtum der Malerei, die unbegrenzte Zahl an Möglichkeiten. Und die kann sie besser untersuchen, wenn keine erzählerische Ebene dazwischenfunkt. Allein mit Farbe und den Spuren, die ihre Malgeräte und Finger hinterlassen, ergeben sich zahllose Bilder und Kombinationen. Beige steht neben Blaugrau, Rosa und Türkis, Lila neben Blassblau und Rosé.

Im Kopf der Betrachterin entsteht ein Umhängprozess

Aber: Die Kombinationen könnten auch ganz anders sein. Die Serie löst im Kopf des Betrachters einen permanenten Umhängprozess aus, ein beständiges „Was wäre wenn … das Grün aus der erste Reihe rechts doch links unten hinge?“. Das macht den Reiz dieser ansonsten so reduzierten Bilder aus, die bei Friese erstmals auch als Einzelwerke angeboten werden (2000–2500 Euro).

Serien, Reihungen und Systematik sind schon länger Themen in Holsteins Malerei. In früheren Arbeiten spielten oft noch geometrischen Formen eine Rolle. In einer großen orange-beigen Wandarbeit zum Beispiel, die aus 260 Collagen besteht, wird das Orange immer weniger, während sich das Beige ausbreitet. Dann nimmt das Orange, ausgehend von einem winzigen Dreieck, immer mehr Raum ein.

Die Betrachterin kann die Bilderreihe von links nach rechts lesen und nach der inneren Ordnung suchen. Wie diese genau aussieht, verrät die Künstlerin allerdings nicht. Zumal sie immer wieder Haken schlägt und Brüche einbaut.

[Galerie Klaus Gerrit Friese, Meierottostr. 1; bis 18. Januar, Mo–Sa 11–18 Uhr]

Nach welchem Prinzip die Farben in der aktuellen Serie auf die stets gleich großen Papiere aufgetragen werden, erfährt man ebenfalls nicht. Nur, dass Holstein an allen Bildern gleichzeitig gearbeitet hat, dass sie viele Farben gleichzeitig nutzt. Das Spiel erinnert an Gerhard Richters „4096 Farben“ von 1974.

Doch während Richter bei seinem exzessiven Farbtafelbild komplett den Zufall walten ließ und mit einer Art Lotterieziehung arbeitete, behält Holstein sich eine Entscheidung vor: Sie bestimmt für jedes ihrer Zeichenpapiere, bei welcher Farbe Schluss ist, welche als letzte stehen bleibt und das endgültige Bild ergibt.

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