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Chris Dercon auf dem Flughafen Tempelhof.

© dpa/Jörg Carstensen

Kulturchefs in Berlin: Neue Jobs für alle

Berlinalezeit ist auch Gerüchtezeit. Rüdiger Schaper hört erstaunliche Dinge aus der Berliner Kulturpolitik.

Auf Berlinale-Empfängen wird natürlich nicht nur über Film gesprochen. Der Big- und Small-Talk dreht sich – sehr berlinisch – auch über Theater und Kulturpolitik. Bei der Eröffnung im Filmpalast am Potsdamer Platz tummelte sich ein gutes Dutzend ehemaliger und aktueller Kultursenatoren und -staatssekretäre.

Die Gerüchteküche serviert in diesen Tagen Herzhaftes. Oder wäre es vielleicht eine vegane Lösung, wenn Chris Dercon von der Volksbühne ans Humboldt Forum weggelobt würde? Dort wird nach der Absage von Inés de Castro eine Persönlichkeit für die Leitung der Sammlungen gesucht. Das ist aber fachlich nichts für Dercon. Er kann eher mit dem Posten des Intendanten in Verbindung gebracht werden. Neil MacGregor wird zur Eröffnung die Gründungsintendanz aufgeben, also Ende 2019. So war es von Anfang an verabredet, als er vom British Museum in London nach Berlin geholt wurde. Und es haben ja schon einige Politiker auf Landes- und und Bundesebene betont, dass Dercon ein guter Mann für Berlin sei, nur nicht an der Volksbühne.

Die Volksbühne soll wieder Ensembletheater werden

Und da taucht am Buffet auch schon das nächste Gedankenspiel auf. Die Volksbühne soll wieder Ensembletheater werden und politischer, wie in den Castorf-Zeiten. Der Name Shermin Langhoff bietet sich dafür an. Die Intendantin des Maxim Gorki Theater ist erfolgreich, kampagnengeprüft, aktionistisch in bewährter Volksbühnen- und HAU-Manier. Shermin Langhoff, so wird fantasiert, übernimmt die Volksbühne, die sie im Herzen trägt, wenn Chris Dercon in seinen angestammten Job als Manager eines Ausstellungshauses – mit diskursivem Programm – zurückkehrt. Voilà! Kultursenator Klaus Lederer wäre gewiss froh, wenn es so käme.

Eine andere Variante, ein leicht verändertes Drehbuch: Die Volksbühne bleibt belgisch, und Annemie Vanackere wechselt vom HAU zum Rosa-Luxemburg- Platz. Sie hat sich allerdings Berlin-Kompetenz erworben. Möglich ist vieles, und bei diesem Spiel gibt es nur Gewinner. Alle werden promoviert, alles wird besser, oder? Wer hätte denn einst geglaubt, dass Chris Dercon die Volksbühne übernimmt, als sich die ersten Gerüchte in diese Richtung auf den Weg machten?

Die Spekulationen werden befeuert, weil die Zeit drängt. Kulturstaatsministerin Monika Grütters, derzeit nur geschäftsführend im Amt, hat zwei eminent wichtige Posten zu besetzen: neben der Intendanz des Humboldt Forums eben auch die Spitze der Berliner Filmfestspiele. Dieter Kosslick leitet gerade seine vorletzte Berlinale. Und alle fragen sich, wer oder was nach ihm kommt. Schwierig, das alles hier.

In der großen Politik machen sie sich nicht so einen Kopf. Da wird das Amt passend gemacht. Da bist du heute Wirtschaftsminister, morgen Außenminister, machst Verteidigung oder Verkehr, auch wenn du davon keine Ahnung hast. Es ist ja nur für vier Jahre, maximal. In der Kultur – jedenfalls in Berlin – hält man sich in Spitzenjobs gern jahrzehntelang.

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