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3000 aufgelassene Steinbrüche gibt es in der chinesischen Region Jinyun.

© Aedes

Kultur im ländlichen Raum in China: Neues Leben zwischen alten Steinen

Das Berliner Architekturforum Aedes zeigt, wie die Chinesin Xu Tiantian Steinbrüche in Bühnen verwandelt.

Wer dieser Tage die Architekturgalerie Aedes und darin den zweiten, hohen Raum dieser einstigen Fabrikanlage betritt, steigt nicht hinauf, sondern hinab. Dem Besucher ist, als wandele er mit einem Mal zwischen Felswänden in tief eingeschnittener Schlucht. Danach weitet sich der Blick: Nun wird erkennbar, dass es sich um einen Steinbruch handeln muss, dem jedoch das Modell einer Anlage aus Treppen und Plattformen eingefügt ist.

Tatsächlich zeigt die gegenwärtige Ausstellung die Steinbrüche im chinesischen Jinyun, in einer Inszenierung, die teils Modell, teils dank riesiger Farbfotos wirklichkeitsnahe Evokation ist. „Der Steinbruch als Bühne“ ist die Ausstellung überschrieben, die die Interventionen der Architektin Xu Tiantian und ihres Büros DnA (Design and Architecture) im heimatlichen Jinyun, einer Gegend zweihundert Kilometer südlich von Hangzhou, vorgenommen hat (Aedes Architekturforum, Christinenstr. 18 – 19, Pfefferberg, bis 5. Mai. Weitere Infos: www.aedes-arc.de).

Xu Tiantian bemüht sich um ländliche Revitalisierung

Dort gibt es um die 3000 Steinbrüche. Sie wurden um die Jahrtausendwende aus Gründen der Umwelt wie der Sicherheit aufgegeben. Neun dieser bislang sich selbst überlassenen Ausschachtungen hat Xu Tiantian zu nutzbaren Räumen umgestaltet, um als Bühne, Konzertsaal, Versammlungsort zu dienen. Daher die Treppen und Podeste, besonders eindrucksvoll beim Steinbruch „Bücherberg“, der eine Art Freihandbibliothek aufgenommen hat, wobei das Tageslicht durch den nach oben schmaler werdenden Spalt zwischen den links und rechts aufragenden Felsmassiven fällt. Andere, offenere Ausschachtungen nehmen einen Garten, sogar einen Teich auf oder dienen als kontemplatives Umfeld eines Teehauses.

Bei der Architekurbiennale in Venedig wurden ihre Projekte gezeigt

Xu Tiantian bemüht sich seit Jahren um die Revitalisierung der ländlichen, von der chinesischen Ökonomie nicht begünstigten Gegend. Bei Aedes wurde bereits 2018 vorgestellt, was die Architektin zur Revitalisierung des Dorfes Songyang unternommen hatte; zeitgleich wurde ihre Praxis bei der Architekturbiennale von Venedig gezeigt, deren Generalthema „The Earth as Client“ genau dem Ansatz des Büros DnA entspricht.

Das Steinbruch-Projekt ist ein weiterer Mosaikstein im Gesamtbild der Maßnahmen im ländlichen Raum Chinas, die hierzulande unter der medialen Übermacht der Groß-Ökonomie des Riesenreiches nicht wahrgenommen werden. Aber es gibt sie. Nach der „Songyang Story“, wie das eindrucksvolle Buch betitelt ist, das die Wiederbelebung des betreffenden Dorfes schildert, machen die Steinbrüche von Jinyun erneut Staunen – zumal in der Inszenierung, die die Galerie Aedes in einen Beinahe-Steinbruch verwandelt hat.

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