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Sasha Waltz hat mit dem Staatsballett im April noch eine Premiere.

© Doris Spiekermann-Klaas

Künstlerischer Egotrip: Der Rücktritt von Sasha Waltz ist ein Armutszeugnis

Die Choreografin Sasha Waltz schmeißt am Staatsballett mitten in der ersten Spielzeit hin. Das zeigt: Ihr fehlt Verantwortungsbewusstsein. Ein Kommentar.

Nach fünf Monaten im Amt die Brocken hinzuschmeißen, ist ein starkes Stück. Dafür muss es sehr gute Gründe geben.

Immerhin: Sasha Waltz bleibt noch bis zum Ende des Jahres Intendantin des Berliner Staatsballetts. Aber der Neustart ist geplatzt.

Johannes Öhman, ihr Partner in der Leitung, zieht es in seine schwedische Heimat zurück. Er hat offenbar genug von Berlin und der Zusammenarbeit mit der Choreografin. Er führte das seit Jahren von Krisen geschüttelte Staatsballett seit August 2018 und bereitete Sasha Waltz den Weg, den sie jetzt nicht mehr gemeinsam gehen können oder wollen.

Eine üble Geschichte.

Sie erinnert an den Fall Dercon und die Volksbühne schon deshalb, weil bei beiden der damalige Kulturstaatssekretär Tim Renner und auch der als Kultursenator amtierende Regierende Bürgermeister Michael Müller die Entscheidung trugen. Und weil Dercon und Waltz erfahren mussten, dass Berlin nicht immer die weltoffene Metropole ist, als die sich ausgibt. Auch die Choreografin wurde von sturen Traditionalisten attackiert.

Nur: Bei Sasha Waltz hat Renner im Grunde alles richtig gemacht. Ihre Berufung war konsequent, auch wenn Teile der Ballettwelt bis heute Waltz misstrauen, denn ihr fehlt der klassische Stallgeruch.

Sasha Waltz ist eine der größten Künstlerinnen dieser Stadt. Sie genießt einen internationalen Ruf, hat mit großen Ballettensembles gearbeitet und mit bedeutenden zeitgenössischen Komponisten. Und endlich eine Frau an der Spitze!

Ihre Compagnie Sasha Waltz & Guests feierte 2018/19 ihren 25. Geburtstag. Sie wird aus öffentlichen Töpfen großzügig gefördert. Sasha Waltz schien am Staatsballett den Platz gefunden zu haben, der ihr zusteht. Die ersten von Öhmann und ihr initiierten Produktionen hatten ein sehr gutes Echo.

Werkschau in der Volksbühne

Und nun der Crash. Aber haben nicht auch Künstlerinnen und Künstler ein Verantwortungsbewusstsein, wenn sie Leitungspositionen übernehmen, Verantwortung für andere, nicht nur für sich selbst? Wenn das betroffene Ensemble einer Neuausrichtung bedarf – nach der Fehlbesetzung mit Nacho Duato.

Kultursenator Klaus Lederer sagte, er sei traurig, habe aber Verständnis für die persönliche Entscheidung. Das muss ein Politiker vielleicht so flau formulieren. Enttäuschung, ja Verärgerung sind eher angebracht.

Aufgeben in der ersten Spielzeit! Es sieht schon sehr nach einem Ego-Trip aus, den Sasha Waltz da durchzieht.

Denn an anderer Stelle bleibt sie weiter viel beschäftigt: Am 25. April bringt sie ihre Choreographie „Sym-Phonie“ mit den Tänzerinnen und Tänzern des Staatsballetts in der Staatsoper Unter den Linden zur Uraufführung. Kurz davor, vom 2. bis 13. April, zeigt Sasha Waltz eine große Werkschau mit drei älteren Stücken, „noBody“, „Allee der Kosmonauten“ und „rauschen“. Spielort ist die – Volksbühne.

Fahndung nach neuer Leitung

Unglücklicher könnte die Terminierung nicht sein. Sie lässt aber vermuten, was Sasha Waltz wichtig ist – die Arbeit mit der eigenen Compagnie, die sie mit Geduld und Geschick aufgebaut hat, an der ihr Herz hängt; dort sind die Strukturen freier, für ihren Geschmack kreativer.

Damit ist klar: Ohne Öhman schaffte sie es nicht am Staatsballett. Sie hätte sich aber auch der Aufgabe stellen und einen neuen Partner suchen können.
Das passiert jetzt sowieso. Die Fahndung läuft nach einer Leitung für das Staatsballett. Blitzschnell muss es gehen – in einer Branche, die auf Jahre im Voraus plant. Da ist wohl kaum jemand frei. Wobei: Beim Wuppertaler Tanztheater steckt Adolphe Binder in einem Intrigensumpf. Sie ist eine erfahrene Ballett-Managerin und kennt Berlin.

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