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International ist die Regisseurin Narges Abyar noch kaum bekannt. Im Iran wird ihr Regime-Nähe vorgeworfen.

© Reuters

Kritik an der Oscar-Academy: Die iranische Filmemacherin Narges Abyar soll dem Regime nahestehen

Die Oscar-Academy hat 819 neue Mitglieder aufgenommen. Doch die Berufung von Narges Abyar zieht Proteste in den sozialen Medien nach sich.

Von Andreas Busche

Stolz war die Academy of Motion Picture Arts and Sciences, als sie Ende Juni die 819 neuen Mitglieder bekannt gab (darunter Udo Kier, Jörg Widmer, Anja Dihrberg und Berlinale-Leiter Carlo Chatrian), die im kommenden Jahr erstmals über die Vergabe der Oscars mit entscheiden dürfen.

2017 hatte die Academy als Reaktion auf die Kampagne #OscarsSoWhite, die den Mangel an Diversität bei der Oscar-Verleihung kritisierte, angekündigt, über einen Zeitraum von mehreren Jahren neue Mitglieder zu werben, um die Vielfalt in der amerikanischen Filmbranche besser zu repräsentieren.

Sie ist auf einem guten Weg. Unter den neuen Mitgliedern sind 45 Prozent Frauen, 36 Prozent People of Color und 49 Prozent internationale Filmschaffende aus 68 Ländern. Am Wochenende regten sich in den sozialen Medien allerdings Proteste aus dem Iran.

Vier iranische Filmschaffende hat die Academy in diesem Jahr aufgenommen: die Regisseurinnen Narges Abyar und Samira Makhmalbaf, den Komponisten Sattar Oraki und den Kameramann Ali Abbasi. An der Berufung von Abyar, die mit ihrem dritten Spielfilm „Breath“ 2016 international auf sich aufmerksam machte, scheiden sich in ihrer Heimat jedoch die Geister.

Kritik an Abyar in den sozialen Medien

Eine Userin forderte die Academy auf Twitter dazu auf, Abyar wieder auszuladen. „Ihre Filme unterstützen ein totalitäres Regime und verbreiten eine faschistische Ideologie. Es wäre eine Schande, wenn sie den Iran in der Academy vertreten würde.“

Der Ökonom Saeed Ghasseminejad nennt Abyar in einem Tweet einen „Liebling Chameneis“, des geistigen Führers des Irans, und kritisiert die Entscheidung der Academy, Diversität über Politik zu stellen. Die Einladung Abyars ist vor dem Hintergrund der Verurteilung des Filmemachers Mohammad Rasoulof (seit 2017 Academy-Mitglied) im März tatsächlich ein problematisches Signal.

Ihre Filme werden vom Regime finanziert

Zwar ist der Fall Narges Abyar komplizierter als ihn die Kommentare in den sozialen Medien darstellen; das hat möglicherweise aber auch weniger mit der politischen Haltung der Regisseurin zu tun, als vielmehr mit dem schleichenden Umbau der iranischen Filmindustrie.

Narges Abyar ist ein gern gesehener Gast beim quasi-staatlichen Fajr Filmfestival, wo sie seit 2014 regelmäßig ausgezeichnet wird. Das nationale Filminstitut Farabi Cinema Foundation ko-finanzierte ihre jüngsten Werke, außerdem wird sie von der dubiosen, 2011 gegründeten Kultureinrichtung Owj unterstützt, die auffällige personelle Überschneidungen mit Führungskräften des Regimes aufweist.

Der politische Aktivist Hossein Ronaghi etwa berichtet auf Twitter, dass Abyar zu den wenigen Filmschaffenden im Iran gehört, die das berüchtigte Evin Gefängnis besuchen durften; ihre Filme wurden dort während seiner Inhaftierung sogar gezeigt. Er selbst habe gegen ihre Besuche protestiert.

Hollywood hält sich aus der Politik raus

Abyar hat sich in der Öffentlichkeit nie als feurige Unterstützerin des iranischen Regimes hervorgetan; ihre jugendliche Protagonistin in „Breath“ weigert sich sogar, ein Kopftuch zu tragen. Aber Abyar gehört wie Saeed Roustayi, der zuletzt 2019 die Premiere von "Just 6.5" in Venedig feierte, zu einer neuen Generation von Filmschaffenden, die das Regime – anders als kritische Regisseure wie Jafar Panahi oder Rasoulof – nur zu gerne auch international fördert.

Spannend wäre es daher zu erfahren, wer Abyar für eine Mitgliedschaft vorgeschlagen hat. Eine Filmemacherin aus dem Iran zu nominieren, klingt für die Academy nach einem Win-Win im Bemühen um mehr Diversität. Das iranische Kino weist mit Hayedeh Safiyari, Rakhshan Banietemad und Hengameh Panahi (um nur einige Namen zu nennen) ohnehin einen erstaunlich hohen Anteil weiblicher Mitglieder auf.

Vielleicht ist die Academy-Entscheidung aber bloß ein salomonischer Kompromiss. Mit Samira Makhmalbaf wurde in diesem Jahr auch eine Regisseurin berufen, deren Familie beim iranischen Regime gar nicht wohlgelitten ist.

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