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Der Berliner Schriftsteller Kristoff Magnusson, 44

© Gunnar Klack/Verlag

Kristof Magnussons Roman "Ein Mann der Kunst": Malen und streiten

Scheu wie Richter, selbstgefällig wie Immendorf, schlau wie Baselitz: Kristof Magnusson hat mit "Ein Mann der Kunst" einen Kunstbetriebsroman geschrieben.

Ein Museum für einen grünen Apfel? So weit reicht die Liebe zur Kunst dann doch nicht, auch wenn das Werk von der durchaus berühmten Yoko Ono stammt. Wer wie Sibylle Hölliger aus dem Kulturstaatsministerium ein paar Millionen für das neue Haus eines kleinen Frankfurter Museums bereitstellt, der erwartet im Gegenzug eine richtig staatstragende Ausstellung.

Mit Bildern eines berühmten, die ganze Welt für ihre Gleichgültigkeit anklagenden, sein Publikum verlässlich beschimpfenden Malers – mindestens.

Kristof Magnusson konstruiert diesen Großkünstler aus Charakteren, die er teils selbst in seinem jüngsten Roman „Ein Mann der Kunst“ nennt. (Verlag Antje Kunstmann, München 2020.220 S., 22 €.) Sein KD Pratz wirkt scheu wie Gerhard Richter, ist selbstgefällig wie einst Jörg Immendorff und er lebt in einer Burg: ähnlich also Georg Baselitz, auch wenn der sich ein Schloss leistete, bevor er seine Immobilie im Jahr 2005 an einen britischen Sammler und Hedgefonds-Manager veräußerte.

Pratz ist außerdem politisch unbequem wie der Fluxuskünstler Wolf Vostell, dessen in Beton gegossene Cadillacs am Ku'damm 1987 das bürgerliche Berlin zum Schäumen brachten. Ihn aber vergisst Magnusson, wenn es um die Aufzählung der Vorbilder für seinen Protagonisten geht. Vielleicht, weil über Vostell nicht mehr so viel gesprochen wird.

Alle dabei: das MoMA, Joseph Beuys, der Galerist Johann König

Dass der erfolgreiche deutsch-isländische Autor diese Namen erwähnt und mit Joseph Beuys, dem Galeristen Johann König oder dem MoMA in New York noch mehr Reales einflicht, ist ein ziemlich guter Kunstgriff. So verbindet sich die Wirklichkeit sukzessive mit den fiktionalen Elementen eines Romans, in der ein zunehmend dünnhäutiger Leiter des Museum-Fördervereins die undankbare Aufgabe hat, den Mitgliedern jenen grantigen Maler Pratz nahezubringen.

Schließlich müssen sie einen Teil des geplanten Neubaus finanzieren, sonst wird das mit den öffentlichen Zuschüssen nichts. Und so macht sich die kleine, feine Gesellschaft von Kunstfreunden im Reisebus auf den Weg zur Burg, die vor Jahrhunderten im malerischen Rheingau errichtet wurde, um Feinde aller Art abzuhalten.

Wie gut das jetzt noch funktioniert, erzählt Magnusson aus der Sicht von Constantin Marx. Der schwule Architekt irgendwo zwischen 30 und 40 ist ebenfalls Mitglied im Verein, vor allem seiner Mutter Ingeborg zuliebe, die ihn seit Kindheit mit Kunst und den dazu gehörenden Audioguides traktiert hat.

Während sich Ingeborg auf der Rheingau-Achterbahnfahrt vom bedingungslosen Fan des Malers zu dessen schärfster Kritikerin wandelt, trägt Constantin den Keim der Distanz von Beginn an in sich.

Die perfekte Perspektive für den Autor: Mit leisem Erstaunen, noch mehr jedoch voll Verständnis für jede einzelne der involvierten Figuren protokollieren der Sohn und mit ihm Magnusson die zunehmende Eskalation.

Lahme Vorurteile

Pratz ist ein echter alter weißer Mann, der sich im kulturpessimistischen Nörgeln gefällt und in eine Zeit der unhinterfragten Großkünstler wie -intendanten zurücksehnt. Auch die Förderer haben ihre Macken, möchten für ihr Engagement geschätzt und gelobt, kurzum: gesehen werden.

Zwangsläufig prallen da Egos aufeinander, und der Knall wäre wohl bis ins Rheintal zu hören, würde Constantin als sachlicher Chronist nicht hinter den Kulissen ähnlich unaufgeregt Pratz beruhigen. Die beiden fühlen sich offenbar voneinander angezogen, doch statt mit Sex endet die Liaison in einer Kuschelszene.

Ähnlich harmlos liest sich „Ein Mann der Kunst“. Stellenweise witzig und pointiert, kurvt dieser Einblick in die deutsche Kunstszene doch immer dicht an der Oberfläche, ohne Untiefen und wirklich Explosives. Am Ende fühlt man sich in seinen Klischees rundum bestätigt.

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Wie sehr der Autor ihnen selbst erliegt, wird deutlich, wenn Constantin mit der ewig unterforderten „kuratorischen Assistentin“ des Vereins über ihr Studium der Kunstgeschichte spricht: Mit lauter „Muschelperlohrringe tragenden jungen Frauen“, für die die Volontariate an den Museen eher Dating-Plattform gewesen seien, weil sie von „diesem Beruf“ gar nicht leben müssen.

Ein lahmes Vorurteil, lieber Kristof Magnusson, das schon in den Neunzigern kursierte und all jene Kunsthistorikerinnen beleidigt, die heute internationale Kunstvereine und Museen leiten. Magnusson selbst hat vor fast zwei Jahrzehnten mit dem Theaterstück „Männerhort“ Furore gemacht, das seitdem immer wieder aufgeführt und 2014 auch verfilmt worden ist.

Kritiker warfen ihm damals das Stereotype seiner Figuren vor. „Ein Mann der Kunst" zeichnet sie ähnlich blass, Constantin und KD Pratz gewinnen immerhin Kontur. Vielleicht hätten auch sie mehr Biss entwickelt, würde im Buch statt über seltsam anachronistische Malerei über Sinn und Unsinn eines Apfels im Museum gestritten.

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