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Kris Kristofferson im Admiralspalast.

© imago images / Tinkeres

Kris Kristofferson in Berlin: Der Mann in Schwarz

Er ist 82, immer noch drahtig und rüstig. Kris Kristofferson wird im Berliner Admiralspalast umjubelt. Natürlich singt er auch „Me and Bobby McGee“.

Liebe ist immer die Rettung. Was bleibt auch sonst übrig von einem Leben? Kris Kristofferson war 33, als er „Help Me Make It Through the Night“ schrieb, einen seiner größten Hit. Jetzt ist er 82 und steht, mit weißem, immer noch vollen Haar, dem biblischem Bart, drahtig und sehr gerade am Mikrofonständer. Ein alter, bewundernswert rüstiger Mann. Als er, sanft grummelnd, die Zeilen „Take the ribbon from your hair / Shake it loose and let it fall“ intoniert, jubelt ihm der ausverkaufte Berliner Admiralspalast zu. Der Song, der 1970 auf „Kristofferson“ herauskam, dem Debütalbum des Nashville-Rebellen, erzählt von einem Verzweifelten, der ohne die Liebe, ohne einen warmen Körper neben seinem, die nächste Nacht nicht überleben wird.

Kristofferson hat überlebt, Lungenentzündungen, Bypass-Operationen und Alkoholprobleme überstanden. Den Titel entnahm er einem Interview, das Frank Sinatra dem „Esquire“–Magazin gab. Auf die Frage, woran er glaube, antwortete der große Crooner: „Schnaps, Frauen oder eine Bibel – was auch immer mir hilft, die Nacht zu überstehen.“ Die Verse, die, begleitet nur von ein paar Akustikgitarrenakkorden, dem Herzschlagbeat der kleinen Trommel und einer melancholischen Geige, lakonisch aus Kristoffersons Mund kommen, haben mit den Jahren eine andere, größere Gravitas bekommen. Die Schatten an der Wand, von denen er singt, werden länger. Und ist das Gestern tatsächlich, wie der 33-Jährige behauptete, tot und vorbei?

Mit dem Hubschrauber zu Johnny Cash

Kristofferson, der als Sohn eines Luftwaffengenerals in einer konservativen texanischen Familie aufwuchs, ist für seine Durchsetzungskraft bekannt. Einst landete er im gestohlenen Hubschrauber auf dem Anwesen von Johnny Cash, um dessen Aufmerksamkeit zu erregen. Wenn er nun im schwarzen Hemd, schwarzer Jeans, schwarzen Cowboyboots auf die Bühne kommt, gefolgt von Geiger Scott Joss, Keyboarder Doug Colosio und Drummer Jeff Ingraham von seiner ebenfalls komplett schwarz gekleideten Begleitband, den Strangers, muss man das als Hommage verstehen, als posthumen Gruß an den 2003 gestorbenen Man in Black.
Kristofferson singt 27 Songs in zwei Stunden, in der Mitte, zwischen der Bekenntnishymne „Loving Her Was Easier (Than Anything I’ll Ever Do Again“) und der Hobo-Ballade „Just the Other Side of Nowhere“, unterbrochen von einer fünfzehnminütigen Pause. Sein Bariton ist rau und brüchig geworden, das Vibrato kann er nicht mehr lange halten. Dem Charisma schadet das nicht. Seine Stücke handeln von magischen Begegnungen in einer Fernfahrerkneipe („Here Comes That Rainbow Again“), von den mühsamen Kämpfen des Älterwerdens („Feeling Mortal“), von Liebesschlachten und Trennungen („I’d Rather Be Sorry“) oder vom Gottessohn, der an Love & Peace glaubte und deshalb gekreuzigt wurde („Jesus Was a Capricorn“).

Es sind Kurzgeschichten, Alltagsdramen, manchmal reine Gospels. Diskutieren kann man darüber, ob Kristofferson, ein Gesamtkunstwerk, als Sänger oder als Schauspieler bedeutender ist. Diskutieren kann man auch darüber, ob er ein echter Hippie war. Natürlich singt er „Me and Bobby McGee“, seine Hippie-Hymne über einen Rumtreiber, der in seinem Diesel von Baton Rouge nach New Orleans fährt, mit nichts als Hoffnung im Gepäck. Bobby sang den Blues, und Kristofferson singt ihn bis heute. „Freedom’s just another word for nothin’ left to lose“, lautet die Kernbotschaft. Eine Jahrhundertzeile. Zum Hit gemacht hat Janis Joplin das Lied. Sie starb 1970 an einer Überdosis Heroin. Heute wäre sie 76. Kris Kristofferson, frommer Christ, verabschiedet sich mit „Thank you Berlin, God bless you!“ Gott segne ihn.

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