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Das High-School-Ermittler-Team undercover: Schmidt (Jonah Hill) und Jenko (Channing Tatum).

© dpa

Krimigroteske "22 Jump Street": Komasaufen bis die Cops kommen

High-School undercover: Die intelligent überdrehte Krimigroteske „22 Jump Street“ ist besser als das Original.

Von Jörg Wunder

Unter Filmkritikern haben Sequels keinen guten Ruf. Wohl nicht zu Unrecht werden den Beteiligten, vor allem den großen Studios als Finanziers, eher pekuniäre als inhaltliche Motive unterstellt, wenn formwandelnde Alienroboter, sadistische Serienmörder, kostümierte Superhelden oder niedliche Trickfilmfiguren in der soundsovielten Fortschreibung einer ursprünglich in einem Film erzählten Geschichte ins Kino gehievt werden. Doch die Produzenten wären Narren, wenn sie keine Sequels drehen ließen: Das Rezept geht auf, die Leute rennen ins Kino. Von den 50 Filmen mit den weltweit besten Einspielergebnissen sind 33 Fortsetzungen. Und es ist ja auch nicht ausgemacht, dass Sequels schlechter sein müssen als das Ausgangsprodukt. Die Regel ist es nicht, doch manchmal gewinnen Protagonisten oder Handlungsstränge durch Fortsetzungen eine Tiefe, die sie im ersten Versuch noch nicht besaßen.

Auch „22 Jump Street“ ist ein Sequel, mehr noch, es ist quasi ein Sequel zweiten Grades. Nämlich die Fortsetzung des Films „21 Jump Street“ aus dem Jahr 2012, der seinerseits eine Kinoadaption der gleichnamigen, zwischen 1987 und 1991 ausgestrahlten TV-Serie darstellte. Und war der Film „21 Jump Street“ schon eine intelligent überdrehte Krimigroteske, die mit zahlreichen Verweisen auf die Serie die Rezeptionsmuster des wissenden Betrachters antizipierte und im Finale auch die alten Seriendarsteller, darunter Johnny Depp, noch mal ins Getümmel warf, so dreht die Fortsetzung diese Schraube weiter.

Schmidt und Jenko, die High-School-Ermittler

Wie in „21 Jump Street“ haben die schusseligen Cops Schmidt (Jonah Hill) und Jenko (Channing Tatum) im Übereifer eine Verhaftung in den Sand gesetzt. Also werden sie wieder mal zur Undercover-Einheit von Captain Dickson (grandios cholerisch: der einstige Hip-Hop-Star Ice Cube) geschickt. Die nutzt nun nicht mehr eine koreanische Kirche mit der Adresse 21 Jump Street als Tarnung, sondern, siehe Filmtitel, das vietnamesische Gotteshaus gegenüber mit der Hausnummer 22.

In „21 Jump Street“ wurden Schmidt und Jenko als verdeckte High-School-Ermittler penetrant damit konfrontiert, wie alt sie verglichen mit den pubertierenden Mitschülern wirken. Ein Running Gag, der bei ihrem neuen Auftrag gnadenlos perpetuiert wird, als sie in einem College aufschlagen, um die Hintermänner eines Dealerrings hochzunehmen. Denn natürlich werden die Thirtysomethings (Hill ist 30, Tatum 34) auch dort von gut zehn Jahre jüngeren Kommilitonen misstrauisch beäugt.

Doch Integrationsbereitschaft überwindet alle Altersgrenzen. Während der athletische Jenko im Football-Team reüssiert und mit den Alphatieren der Studentenverbindung fraternisiert, sammelt der tapsige Schmidt als unfreiwilliger Slam-Poet Sympathiepunkte und landet im Bett einer attraktiven Kunststudentin (Amber Stevens) – mit hochnotkomischen Spätverwicklungen. Natürlich ist es für die falschen Studis schwierig, die eigentliche Polizeiarbeit im Blick zu behalten, erst recht, als das universitäre Treiben auf das rituelle Komasaufen beim „Spring Break“ zusteuert.

22 Jump Street ist eine Orgie der Selbstreferenzialität

„22 Jump Street“ ist eine Orgie der Selbstreferenzialität und verhält sich zum Ausgangsprodukt wie ein Remix in der Popmusik zum Originalsong. Immer wieder werden Szenen aus dem ersten Film zitiert oder gedoppelt, mit größerem Aufwand reinszeniert, mit teureren Spezialeffekten übersteigert – und permanent quatschen die Protagonisten darüber. Dennoch bewahrt die Liebe der Macher zu ihren Figuren den Film davor, zu einer Schlaumeier-Klamotte für Nerds zu werden. Auch ohne Vorkenntnis funktioniert die Mischung aus haarsträubender Situationskomik, bisweilen unter die Gürtellinie zielenden Gags, romantischen Missverständnissen und schonungslosen Slapstickeinlagen, für die der Krimi-Plot nur ein rudimentäres Raster bildet.

Dass diese Gratwanderung gelingt, liegt neben einem intelligenten Script und ideal besetzten Nebenrollen (Peter Stormare, Jillian Bell, Queen Latifah) vor allem an der großartigen Chemie zwischen den Hauptdarstellern: dass Jonah Hill einer der brillantesten jüngeren Filmkomiker Hollywoods ist, hat er mit furchtlosem Einsatz schon oft bewiesen. Seine Oscarnominierung für die irrwitzige Performance in Martin Scorseses „Wolf of Wall Street“ dürfte noch nicht das letzte Wort gewesen sein. Überraschender ist da schon, dass Channing Tatum offenbar willens ist, sein aus Filmen wie „G.I. Joe“ oder „White House Down“ stammendes Image als muskelbepackter Actionheld selbstironisch zu konterkarieren. Hill und Tatum tragen entscheidend dazu bei, dass den Regisseuren Phil Lord und Christopher Miller, die in diesem Jahr bereits den fulminanten Animationsfilm „The Lego Movie“ auf die Leinwand brachte, diese cineastische Quadratur des Kreises gelingt: eine aufreizend lässige, inhaltlich redundante Fortsetzung, die tatsächlich besser ist als das Original.

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