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Mein Kopf gehört mir. Owen Peter Reed variiert die Hamlet-Pose. Die Bühne könnte ein leerer Swimmingpool sein. Oder ein Bombenkrater.

© JR/Berliner Ensemble

„Kriegsbeute“ am Berliner Ensemble: Entrüstet euch

Das Industriellendrama „Kriegsbeute“ inszeniert die Geschichte der Familie Bloch, die sich in Rüstungsgeschäfte verstrickte. Aus dem spannenden Thema wird hier jedoch eine Groteske ohne Biss.

Die Blochs, eine deutsche Familie. Eine Dynastie, deren Geschäfte sich bis ins Jahr 1502 zurückverfolgen lassen, als gerade der Buchdruck populär wurde. Noch heute steht in Mainz eine Kinderbuchpresse der Blochs, ihr Geld verdient die Sippe allerdings schon seit dem Dreißigjährigen Krieg auf andere Weise. Mit Waffen. „Einer muss es machen“, das ist das Credo des Patriarchen Friedrich Bloch, genannt „Der alte Fritz“, der das Unternehmen in x-ter Generation mit harter Hand leitet. Seine Moralresistenz beginnt zu bröckeln, während um ihn herum Ärger an allen Fronten aufzieht.

Sohn Johannes, ein aus der Art geschlagener Pazifist, der dennoch gut vom familiären Vermögen lebt, schreibt an einem Enthüllungsbuch. Tochter Maria möchte gern Fritzens Erbe in der Firma antreten. Und der Vorstand drängt auf den Ausbau der gewinnversprechenden Cyber-Sparte. Ausgerechnet jetzt fängt Friedrich an, das schöne Waffengeld an die Charity zu verpulvern. Will sich dorthin fahren lassen, „wo die Obdachlosen wohnen“, und träumt davon, dass man ihm als Wohltäter Denkmäler setzt.

Drehbuch stammt von namhaften Autoren

„Kriegsbeute“ heißt diese Uraufführung im Kleinen Haus des Berliner Ensembles, entstanden im Rahmen des hauseigenen Autorenprogramms. Das Stück stammt von Martin Behnke und Burhan Qurbani, was durchaus Erwartungen geweckt hat, schließlich stammt von ihnen auch das Drehbuch zu Qurbanis Spielfilm „Wir sind jung. Wir sind stark“. Der spürte den Anschlägen auf die Asylbewerberheime in Rostock-Lichtenhagen von 1992 nach. Ohne simple Erklärungen, getrieben vom Willen, zu verstehen, wie ein Pogrom entsteht. Sehr stark.

Um dokumentarische oder investigative Aufdeckung, hieß es, solle es in „Kriegsbeute“ nicht gehen. Die gab es ja im Theater auch schon, durchaus in geglückter Form. Hans-Werner Kroesinger hat in „Exporting War“ die mörderischen Rüstungsgeschäfte in gewohnter Recherchegründlichkeit durchleuchtet, das Kollektiv Rimini Protokoll mit „Situation Rooms“ einen interaktiven Parcours geschaffen, der die globalen Verflechtungen und Wirkungen des Waffenhandels erlebbar machen sollte.

Mix aus Seifenoper und Kabarett

Nein, das Thema von Behnke und Qurbani – sagt Dramaturgin Johanna Vater – sei vielmehr jenes „der Verdrängung, der Akzeptanz, der Heuchelei“. Damit ist tatsächlich auch schon alles erklärt. In der Regie von Laura Linnenbaum nimmt ein Mix aus Seifenoper und Kabarett seinen Lauf, der sich große Mühe gibt, nicht in moralische Entrüstung zu verfallen. Doch als Groteske funktioniert der Abend nicht, weil er sich so klar auf der Seite des Guten verortet.

Martin Rentzsch spielt Friedrich Bloch, dessen Pyjama mit einer Knarre bestickt ist, nur falls jemand seine Profession noch nicht mitbekommen haben sollte. Kaum begegnet ihm in einer Fernsehdoku seine verstorbene Frau Rahel wieder (Judith Engel als Videogast), stürzt er sich auch schon ins Wohltätigkeits-Kamikaze. Auf der Bühne von Valentin Baumeister – ein gekachelter Trichter, der einen Pool ohne Wasser darstellen soll und Bombenkrater-Assoziationen zulässt – beginnt eine Story ohne Ziel und Biss.

Alle stehen auf verlorenem Posten

Gerrit Jansen als magenkranker Pseudo-Pazifist Johannes, Annika Meier als gefallsüchtige Papa-Tochter Maria, Nora Quest als uneheliche, mit der Hausangestellten gezeugte Tochter Lea, Oliver Kraushaar als Obdachloser mit Familiengeheimnis – alle stehen auf verlorenem Posten. Den dankbarsten Part hat noch Owen Peter Reed als „Die Zwillinge“, die in Vaters Waffenschmiede an intelligenten Patronen basteln. Er darf einen nach seinem Ebenbild geformten Puppenkopf auf der Hand balancieren.

Gelegentlich denkt man an Viscontis Film „Die Verdammten“, aber nicht aufgrund etwaiger Parallelen, sondern einzig wegen der kilometerweiten Entfernung zwischen jener großartigen Geschichte einer schuldverstrickten Industriellenfamilie und diesem grob gewirkten Theater, das am Ende eine Masse von Patronen in den Pool prasseln lässt. Ein schönes Sinnbild für den Abend: nichts als leere Hülsen.

nächste Vorstellungen am 26. Februar sowie am 5., 6., 29. und 30. März

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