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Ein tragisches Paar: Manuela Uhl in der Rolle der Marietta, Burkhard Fritz als Paul.

©  Semperoper/David Baltzer

Korngold an der Semperoper: Jenseits von Hollywood

Die Dresdner Semperoper zeigt Erich Wolfgang Korngolds 20er Jahre Opernhit „Die tote Stadt“. Eine äußerst berührende Produktion über die Zerrissenheit zwischen Treue, Trauer und Lust.

Der Nachteil eines vor allem vom Tourismus lebenden Opernhauses ist, mit unbekannteren Stücken sehr vorsichtig sein zu müssen. Zumal in Dresden. Immer wieder wagt die Semperoper kommerziell riskante Experimente – vom traditionsbewussten Publikum ebenso konsequent mit Nichtachtung gestraft. So bleibt das Interesse selbst für Erich Wolfgang Korngolds „Tote Stadt“, einst der Opernhit der 20er Jahre und seit Jahrzehnten an vielen Bühnen wiederentdeckt, höchst übersichtlich: was für ein Trauerspiel, und was für eine Verschwendung!

Denn das prall-spätromantische Werk kann in der Semperoper all seine verführerischen Stärken ausspielen, was besonders Dmitri Jurowski und der Sächsischen Staatskapelle Dresden zu danken ist. Wie illuster aus dem Graben die Farben leuchten, wie differenziert das Orchester die teils überinstrumentierte Partitur sprechen lässt, hat etwas Grandioses – gerade weil Jurowski nie der Versuchung erliegt, den Bogen zu überspannen und die Klangpracht zu weit loszulassen, auch wenn er sich dadurch viele, vor allem agogische Effekte vergibt. Durch ihre Strauss-Expertise ist die Kapelle zwischen veristischer Hyperpsychologisierung und impressionistischer Klangmalerei zu Hause, kann im Wortsinn alle Register ziehen.

Rückkehr nach fast einem Jahrhundert

Besonders die Streicher vollführen die Glanzleistung, ihre stets homogene Einfärbung im Bruchteil einer Sekunde wandeln zu können, abgesehen von der gewohnt stupenden rhythmischen wie intonatorischen Präzision. Jurowski gibt mit dieser riesigen Palette an Ausdrucksmitteln, die ihm zur Verfügung stehen, Korngold nach fast einem Jahrhundert Abstinenz auch in Dresden seine Ehre wieder – als brillanter Orchesterkomponist, dessen spätere Erfolge in Hollywood lange darüber hinwegtäuschten, dass er in den frühen und durch Emigration jäh abgebrochenen Blütejahren ein vielleicht epigonaler, aber doch unverwechselbarer Theatermann war.

In der „Toten Stadt“ treibt vor allem die Musik selbst die Handlung voran. David Bösch zieht sich mit seiner Inszenierung denn auch weit zurück, erzählt die Traumdeutungsgeschichte mit staubigen, rissigen Bildern in der düstren „Kirche des Gewesenen“, die sich Paul geschaffen hat. Dabei führt Bösch die Handlung ganz entschieden am durchaus schablonenhaften Libretto entlang, was in jedem Fall verständlich ist, aber viele interessante Querverweise und Bezüge zur Entstehungszeit um 1920 auslässt. Brügge, diese vom Meer abgeschnittene Gespensterstadt, kommt als Titelheldin gar nicht vor. Die Regie lässt das tiefenpsychologisch wirkende bleierne Gewicht der Ödnis allein durch die Musik und durch ein paar angedeutete Videosequenzen in der Prozessionsszene wirken.

Verknappung und Werktreue

Diese Verknappung und eigentlich wohltuende Werktreue bedeutet aber für die Protagonisten noch größere Herausforderungen, als sie die martialisch schweren Partien ohnehin stellen. Insbesondere der ehemalige Berliner Staatsoperntenor Burkhard Fritz in der Rolle des hypersensiblen Helden muss mit den sängerischen Kräften haushalten, um die unmenschliche Tessitura durchzuhalten; seine szenischen Talente bleiben weit hinter der eindrucksvollen Stimme zurück, wirken teils unbeholfen, teils grotesk. Seine Zerrissenheit zwischen Treue, Trauer und körperlicher Begierde teilt sich nur unzureichend mit: Potenzierung des schon im Stück angelegte Problems, dass sich die Figur Pauls kaum entwickelt, sondern statisch als Opfer seiner von Träumen verwirrten Seele reduziert bleibt.

Manuela Uhl dagegen geht in ihrer zweigeteilten Rolle als Trugbild und Projektionsfläche völlig auf, vor allem weil es ihr gelingt, Marietta neben Paul als ebenbürtiges Psychogramm zu entwickeln. Der Schlüsselsatz, dass nach all den Verehrern Paul der Erste gewesen sei, der sie das Lieben gelehrt und dabei zerstört habe, wird zum Kulminationspunkt einer trotz aller Verruchtheit suchenden Seele. Szenisch wie stimmlich kann Uhl diesen Konflikt grandios darstellen, wird zur eigentlichen tragischen Figur. Mit Christoph Pohl ist die etwas undankbare Doppelrolle des Freundes und Nebenbuhlers ebenso exzellent besetzt, auch Christa Mayer gibt ihrer Brigitta wunderbare Wärme. So bleibt eine sehr berührende Produktion, der man dringend mehr Publikum wünscht.

Wieder am am 2., 7. und 21. Januar, www.semperoper.de

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