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Korea: Auf zwei Seiten

Dieter Leistners Fotos aus Seoul und Pjöngjang.

Ein Blick auf die koreanische Halbinsel lässt die Probleme, mit denen sich das wiedervereinigte Deutschland nach 1989 herumschlug, zusammenschrumpfen. Gewiss, Ossis und Wessis konnten nicht recht miteinander, die Städte des Ostens wirkten grau und kaputt, und die DDR-Industrie war der westlichen Konkurrenz nicht gewachsen. Doch die Kluft zwischen Süd- und Nordkorea ist ungleich größer. Demokratie, Hightech, Popkultur auf der einen, Führerkult, Armut und extreme Abschottung auf der anderen Seite. Was verbindet diese zwei Länder nach mehr als 60 Jahren der Teilung überhaupt noch miteinander?

Der Fotograf Dieter Leistner durfte 2006 in die nordkoreanische Hauptstadt Pjöngjang reisen, sechs Jahre später machte er sich auf in die Hauptstadt des Südens, nach Seoul. In beiden Metropolen hat er ähnliche Orte besucht und fotografiert: Hochhaussiedlungen, Parks, Bahnhöfe, Universitäten, Geschäfte ... Diese Aufnahmen stellt er in seinem Buch „Korea-Korea“ einander gegenüber. Auf der linken Seite findet sich jeweils der Süden, auf der rechten der Norden.

Beim ersten Blättern überwiegt der Eindruck von Ähnlichkeit. Beiderseits der demilitarisierten Zone, die Korea entlang des 38. Breitengrads teilt, leben die Leute in Plattenbauten, schlendern Mädchen in Schuluniform durch die Straßen, suchen Menschen Erholung im Grünen; auch in Nordkorea gibt es wohl so etwas wie Alltag. Die Gesichtszüge sind hier wie dort unverkennbar koreanisch. Erst ein zweiter Blick verrät die großen Unterschiede, und ein dritter, vierter lässt den Betrachter manchmal schockiert zurück.

In der U-Bahn von Seoul: ein lachendes Liebespärchen und modisch gekleidete Fahrgäste mit Mobiltelefonen. In der von Pjöngjang: unsichere Blicke in Richtung des Fotografen, die Leute in uniformen, dunklen Anzügen und Jacken. Ein anderes Foto von Leistner ist aus einem Hochhaus in Seoul aufgenommen, man schaut hinab auf eine 14-spurige Straße voller Autos. Diese Aufnahme kombiniert der Fotograf mit dem Bild einer leeren Straße in Pjöngjang, am Rand steht ein Bus – und davor eine scheinbar endlos lange, wartende Menschenschlange. Ob diese unterschiedlichen Welten je wieder zusammen finden werden, darauf können selbst Dieter Leistners eindrucksvolle Fotografien keine Antwort geben.Björn Rosen

Dieter Leistner:

Korea-Korea.

Ein Fotoprojekt.

Hrsg. von Klaus Klemp Hehn-Chu Ahn und Matthias Wagner. Gestalten Verlag,

Berlin 2013.

120 Seiten, 19,90 €.

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