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Blumig. Sir Elton in Berlin. Foto: dapd

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Konzertkritik: Deshalb nennen sie’s Blues

Routiniert und rockig: Elton John spielt seine „Greatest Hits“ in der O2-World

Die erste Überraschung ist die Bühne. Ganz schlicht, ohne große Aufbauten oder blinkende Elemente hat sie keinerlei Ähnlichkeit mit dem Las-Vegas-Pomp, den Elton John vor zweieinhalb Jahren an gleicher Stelle auffahren ließ. Auch das rote Piano seiner letzten Show hat er zu Hause gelassen, jetzt steht da ein einfacher Yamaha-Flügel.

Offenbar möchte Captain Fantastic, bei dem sonst immer alles drei Nummern größer ausfällt als bei allen anderen, einfach mal ein normales Rockkonzert geben. Muss ja auch mal möglich sein. Schließlich ist Sir Reginald Kenneth Dwight inzwischen 64 Jahre alt und braucht niemandem mehr etwas zu beweisen. Und so liefert er in der mit rund 9500 Besuchern nicht ausverkauften, bestuhlten Berliner O2-World ein recht routiniertes Standardprodukt mit dem Titel „Greatest Hits“ ab.

Zu Beginn steht die fünfköpfige Band allein auf der Bühne. Als Elton John nach einigen Minuten heraufgeklettert kommt, reißt es den Innenraum von den Stühlen. Der Meister trägt einen frackartigen Mantel mit Blumenapplikationen und einem Totenkopf aus Glitzersteinchen auf dem Rücken – ein bisschen Bling Bling muss wohl doch sein. Huldvoll nimmt er die Ovationen entgegen und haut in die Tasten. Dass er das epische Pathosmonster „Funeral for a Friend / Love lies bleeding“ vom Doppelalbum „Goodbye Yellow Brick Road“ als Auftakt-Song wählt, ist programmatisch für das erste Drittel des Abends, in dem er nur Stücke aus den Siebzigern spielt. Die Betonung liegt auf rockigem Material. „Madman across the Water“ wird zum extralangen Prog-Ausflug während auf der LED-Wand im Hintergrund psychedelisches Gewaber zu sehen ist.

Der Sound – in der O2-World sonst oft ein Problem – ist die zweite Überraschung: druckvoll und kompakt. Bei „Saturday Night’s alright for Fighting“ kommen die kroatischen Pop-Cellisten Luka Sulic und Stejpan Hauser auf die Bühne. Sie dürfen das Anfangsriff spielen, gehen ansonsten aber im vollgepackten Klangbild unter. Leider hat Elton John stimmlich keinen guten Tag erwischt. Immer wieder schreit er mehr, als dass er singt, was sich besonders für die Balladen nachteilig auswirkt. Die Schmachtnummer „Sacrifice“ brüllt er ebenso nieder wie „I guess that’s why they call it the Blues“. Hilfe von den vier unterforderten Background-Sängerinnen oder seinen Bandkollegen nimmt er kaum an.

Zur Hälfte der zweieinhalbstündigen Show spielt Elton John drei Stücke vom Album „The Union“, das er letztes Jahr zusammen mit seinem Helden Leon Russell aufgenommen hat. Man merkt vor allem beim Titelsong, dass diese Aufnahmen eine Herzensangelegenheit für ihn waren. Zum kraftvollen Finale mit „Bennie and the Jets“, „Bitch is Back“ und natürlich „Crocodile Rock“ krabbelt Elton John auf seinem Hocker und dem Flügel herum, was anrührend ungelenk wirkt. Vor der einzigen Zugabe („Your Song“), gibt er den Fans am Bühnenrand schnell einige Autogramme. Doch ihren wohl größten Wunsch, „Candle in the Wind“, will er ihnen nicht erfüllen. Die Masse nimmt es hin. Sir Elton kann man nicht wirklich böse sein. Nadine Lange

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