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Das Artemis Quartett in neuer Besetzung.

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Konzertkritik Artemis Quartett: Aufbruch zu viert

Wege entstehen beim Gehen: Das Artemis Quartett mit Schubert und Bartók im Kammermusiksaal.

Sieht so Trauerarbeit aus? Oder ist das zu scharf, zu pessimistisch gedacht für das, was das Artemis Quartett in dieser Woche im Kammermusiksaal aufgeführt hat? Ist es nicht viel eher hoffnungsvoll, ein Neubeginn?

Vieles ist zerbrochen durch den Tod von Bratschist Friedemann Weigle, auch in den Jahren danach kehrte keine Ruhe ein, die zweite Geigerin Anthea Kreston kam und ging, wie auch mit Cellist Eckart Runge das letzte Gründungsmitglied.

Ein Scherbenhaufen? Unsinn, auch wenn das Publikum mit der nahezu völlig neuen Formation noch zu fremdeln scheint. Sah man bei Artemis je so viele leere Sitze in den oberen Rängen?

Schuberts Quartettsatz D 703 ist, was der Name sagt: ein für sich stehender erster Satz eines nie zu Ende komponierten Streichquartetts, das zweite bedeutende unvollendete Werk in Schuberts Ouvre neben, genau, der „Unvollendeten“.

Aber als Auftakt dieses Konzerts auch ein schönes Symbol für den Neubeginn bei Artemis, bahnt sich Schubert doch in diesem 1820 entstandenen Fragment, nach demütigenden Misserfolgen, den Weg zu den großen Quartetten des Spätwerks.

Am Anfang huscht Schuberts Stück weg

Allerdings scheinen Gregor Sigl an der Bratsche – der jetzt mit Geigerin Vineta Sareika die Brücke zur Vergangenheit von Artemis bauen muss – und Harriet Krijgh am Cello sowie Suyoen Kim (erste Geige), die beide 2019 frisch dazukamen, in dieser frühen Phase des Abends noch nicht wirklich zu wissen, wo sie hinwollen: mit nivellierter Dynamik huscht das Stück am Ohr vorbei, ohne große Spuren zu hinterlassen.

Griffiger, substanzieller wird der Klang aber bereits im zweiten Werk, Bartóks sechstem Streichquartett, seine letzte in Europa vollendete Arbeit, mit vier vordergründig der traditionellen Form entsprechenden Sätzen.

Sigls Bratsche intoniert mit weltschmerzerfüllter Melancholie das „Mesto“ („Traurig“)- Thema, das den Abschnitten variiert, mal als Marsch, mal als Tanz, vorangestellt ist.

Harriet Krijgh, die dem Tagesspiegel beim „Stabübergabe“-Konzert im Mai durch „expressive Nervosität“ aufgefallen war, wirkt diesmal deutlich gelöster, harmoniert gut mit dem Gesamtklang.

Am Ende volles Streichquartettglück

Volles Streichquartettglück schließlich in D 887, Schuberts 15. und letztem Werk für diese Gattung: vollsatte Tremoli, die das Volumen eines großen Orchesters vortäuschen sollen, episches Ringen von Dur und Moll – und ein Artemis Quartett, das zumindest in den ersten beiden Sätzen regelrecht entflammt, mit Unerbittlichkeit im Strich und jenem legendären Suchen, Drängen, Aushandeln, das den Stil dieser Formation immer geprägt hat.

Dass Sareika und Kim an der ersten Geige alternieren, eröffnet frische Perspektiven innerhalb des gleichen Abends, setzt eine Tradition von Unkonventionalität fort. So bleibt der Eindruck: Diese vier wollen den Weg gemeinsam gehen.

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