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Christoph Eschenbach und das Konzerthausorchester Berlin.

© Marco Borggreve

Konzerthausorchester Berlin: Der Kosmos leuchtet

Christoph Eschenbach und das Konzerthausorchester spielen die drei letzten Symphonien von Mozart - und brillieren vor allem in den schnellen Sätzen.

Sie entstanden innerhalb weniger Wochen im Sommer 1788, und auch wenn ihr Komponist noch drei Jahre zu leben hatte, bedeuteten sie doch einen Abschluss: Die drei Symphonien in Es-Dur, g-Moll und C-Dur, die noch einmal den ganzen Kosmos Mozarts zum Leuchten bringen - die Universalität und tiefe Menschlichkeit, das Spiel mit höfischen Konventionen, die einsetzende, auf Publikumsgeschmack keine Rücksichten mehr nehmende Modernität, die freimaurerischen Gedanken. Sie an einem Abend aufzuführen, wie es das Konzerthausorchester und Chefdirigent Cristoph Eschenbach jetzt getan haben, bietet sich an. Und hat den Vorteil, dass auch die gegenüber den strahlenden Schwestern ein bisschen vernachlässigte Drittletzte, die Es- Dur-Symphonie, zu ihrem Recht kommt.

Mit fast buddhistischer Losgelöstheit

An ihr fasziniert vor allem der Finalsatz, der seine Energie aus einer dynamischen Figur bezieht: erst eine kleine Terz, dann mit schöner Regelmäßigkeit der Sturz eine Oktave tiefer. Eschenbach dirigiert das mit fast buddhistischer Losgelöstheit und einer aufs Äußerste verknappten Gestik, die gleichwohl ihre Wirkung aufs Orchester nicht verfehlt. Dann bricht der Satz ab, hört einfach auf, was auf ein Ohr des 18. Jahrhunderts enorm irritierend gewirkt haben muss. Heute erscheint es fast, als würde Mozart die Ästhetik des Fragments vorwegnehmen, wie sie nur wenige Jahre später Schlegel und Novalis formuliert haben. Sowieso besitzen diese letzten Symphonien eine offene Flanke zur Romantik hin, die nirgendwo so nahezu körperlich spürbar ist wie im berühmten, sich sehnsuchtsvoll verzehrenden, von seelischer Zerrissenheit erzählenden Thema des Eröffnungssatzes der g-Moll-Symphonie, KV 550, einer von nur zwei in Mozarts Ruvre in einer Moll-Tonart.

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Leider lassen Eschenbach und das Orchester das Andante etwas verplätschern. Gerade die langsamen Sätze werden bei Mozart oft zum Knackpunkt; der Grat zwischen Innerlichkeit und lyrischer Emphase, auf dem man hier wandelt, ist schmal und tückisch. Besser als die Sätze, in denen es darum geht, eine flächige Atmosphäre zu gestalten, gelingen Eschenbach jene, in denen markante Figuren zu formen sind. Wie im Finalsatz von KV550 mit der sich schnappatmungsgleich in die Höhe reckenden Tonfolge, die - so lernen wir aus dem Programmheft - unter der Bezeichnung „Mannheimer Rakete“ bekannt ist.

Vielleicht wirkt Mozarts letzte, von unbekannter Hand mit dem Zusatz „Jupiter“ geadelte Symphonie auch deshalb so fulminant, weil er hier nochmal die Rolle rückwärts vollzieht, ins Klassische, Barocke gar - mit den so kunstvoll ineinander verwobenen, fugierten Abschnitten des Finalsatzes. So staunt man, welche Anziehungskraft die Fuge bis zu Verdis „Falstaff“ und Bergs Wozzeck“ noch Jahrhunderte nach ihrer Blütezeit entwickeln konnte. Und auch wenn die Musiker und Musikerinnen hier wieder im langsamen Satz schwächeln: Ins Finale gehen sie beherzt und saftig, mit markantem Strich und emphatischem, vorwärtsdrängendem Grundimpuls.

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