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Juraj Valcuha ist erster Gastdirigent des Konzerthausorchesters.

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Konzerthausorchester beim Musikfest: Stampfen durch die Nacht

Lokomotiv-Kraft und heikle Partituren: Das Konzerthausorchester mit Juraj Valcuha und Valeriy Sokolov beim Musikfest Berlin.

Am Anfang war die Musik, „Pacific 231“, ein „Mouvement symphonic“ von Arthur Honegger. Ein Vierteljahrhundert später dachte sich der Franzose Jean Mitry einen Kurzfilm gleichen Namens dazu aus, der ein eigenes Opus ist, keine Filmmusik im ursprünglichen Sinn. Honeggers Werk war 1924 in Paris die große Überraschung, Eisenbahnromantik eines Komponisten, der Lokomotiven leidenschaftlich liebte. Sein symphonischer Satz lässt einen Schnellzug von 300 Tonnen durch die Nacht stampfen und stürmen bis zum lyrischen Höhepunkt.

Die Reise geht los. Das Konzerthausorchester eröffnet mit dieser Pathetik um die Lok „Pacific 231“ und ihre 120 Stundenkilometer sein erstes Abonnementkonzert der Saison. Es ist zugleich ein spannungsvoller experimenteller Beitrag zum Musikfest Berlin, das den Akzent auf historische Klangvisionen setzt.

Da der Film in beschleunigter Fahrt über Land und Gleise hinweg der Komposition nichts Wesentliches hinzugewinnt, ist es ratsam, die Augen zu schließen, um den visuellen Eindruck der Musik, den genialen symphonischen Blick auf ein technisches Wunder zu bestaunen.

Der erste Gastdirigent am Konzerthaus hat ein Herz für Heikles

Am Pult waltet im Konzerthaus der slowakische Musiker Juraj Valcuha, seit 2017 hier verpflichtet als Erster Gastdirigent. Neben Christoph Eschenbach und Iván Fischer, dem amtierenden und dem ehemaligen Chef des Orchesters, ist er der Dritte im Bunde der verantwortlichen Maestri, die dem Klangkörper derzeit ihren Stempel aufdrücken. Das Konzert bestätigt, dass Juraj Valcuha das Triumvirat schmückt.

Zwei heikle Partituren, die man nicht alle Tage hört, stehen im Zeichen der schicksalhaften Begegnung Béla Bartóks mit Debussy. Die „Vier Orchesterstücke“ entfalten ihren impressionistischen Zauber und ihre wuchtige Scherzo-Wildheit in einer Interpretation, in der die Klänge des Orchesters leuchten. Valcuha ist ein Dirigent von feiner Disziplin. Die Aufführung fasziniert mit Präzision und Nuancenreichtum. Das erste Violinkonzert Bartóks, vor den Orchesterstücken entstanden, spät entdeckt und erst 1958 uraufgeführt, repräsentiert den verschwiegenen frühen Komponisten und das bleibende Motiv einer verlorenen Liebe.

Den Solopart spielt Valeriy Sokolov introvertiert im Andante wie eine stille Elegie, bevor er im zweiten Satz das Virtuosenfutter aufpickt. Der ukrainische Geiger bezaubert mit dem Seelengesang seines Instruments. Dass die Musiker und Musikerinnen des Konzerthausorchesters ihrem Gastdirigenten große Sympathie entgegenbringen, ist kein Wunder, nachdem tönend das Licht über dem Ozean in Debussys „La Mer“ aufgegangen ist. Das Spiel der Wellen glitzert und die Melodie strömt in inspiriertem Zusammenspiel. Mit dem applaudierenden Publikum feiert das Orchester seinen Dirigenten sehr herzlich.

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