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MGMT-Sänger Andrew Van Wyngarden.

© DAVIDS

Konzert: Zähle deine Freunde: MGMT live in Berlin

MGMT geben im Berliner Astra ein psychedelisches Konzert. Sie mischen alte Hits mit den Songs ihres dritten Albums, das seine schönen Melodien gewissenhaft hinter Störgeräuschen und Brüchen versteckt.

Die Geschichte des Duos MGMT ist eine Geschichte voller Missverständnisse, und das wird bei ihrem Auftritt im gut gefüllten Berliner Astra schnell klar. Junge Menschen, die teilweise Leuchtstäbe um ihr Handgelenk tragen und sich mit der Band vermutlich vornehmlich im letzten Jahrzehnt befassten, als sie noch sogenannte Indie-Hits schrieb, strömen während des Konzerts grüppchenweise in Lounge- und Raucherbereich und halten sich mit ratloser Miene an Zigarette, Bier und Bio-Zisch fest. Denn das da vorne auf der Bühne, das ist schon ein bisschen komisch. Da stehen Andrew Van Wyngarden, Benjamin Goldwasser und ihre Background-Musiker und inszenieren einen recht beiläufig wirkenden Fluss aus verschiedenen Klängen, in dessen Hintergrund Videoprojektionen laufen, die abwechselnd an Bildschirmschoner aus den 90er Jahren, die früh gescheiterte digitale Gegenwelt „Second Life“ und kaputte Fernsehtestbilder erinnern.

Dazu muss man Folgendes wissen: Die Amerikaner schrieben 2005 eine Handvoll eingängiger Indie-Hits irgendwo zwischen Manchester Rave und Elektropop und luden sie auf ihrer Myspace-Seite hoch, was dazu führte, dass der sehr bekannte Produzent Rick Rubin – das sagt zumindest die Legendenbildung – durchklingelte und ihnen einen Plattenvertrag bei seinem Stammhaus Sony Music verschaffte. 2007 erschien ihr vielgelobtes Debüt „Oracular Spectacular“. Drei Jahre später veröffentlichten sie mit „Congratulations“ ein Album, das von der Kritik gelobt wurde, aber mit seinen verschlufften Psychedelic-Minaturen schon ziemlich weit draußen und keinesfalls mehr als Beschallung für Indie-Discotheken geeignet war. Nun ist der selbstbetitelte Nachfolger erschienen, und der verzichtet zwar nicht auf schöne Melodien, versteckt diese aber gewissenhaft hinter Störgeräuschen und Brüchen.

Live passt das alles durchaus gut zusammen. Die Band spielt sich durch ein knapp eineinhalbstündiges Set, in dem die alten Erfolge „Weekend Wars“, „Electric Feel“, „Kids“ und „Time To Pretend“ – vielleicht der beste Popsong der letzten zehn Jahre – von erwähnten jungen Menschen mit großer Begierde und ebenso großer Textsicherheit angenommen werden. Für den Rest muss man sich eben ein wenig konzentrieren. Dann erkennt man, dass hinter der Beiläufigkeit der Stücke und ihrer irritierenden Klangtapetenhaftigkeit mehr steckt.

Pop im Sinne von Strophe, Bridge, Refrain ist das nicht mehr, eher ein Mix aus Psychedelic, Krautrock, Dronepop und lustvoller Dekonstruktion sämtlicher Genres, die auch vor ihrem größten Hit nicht Halt macht: „Kids“ lässt die Band irgendwann in eine Art Techno-Remix kippen, vielleicht der stringenteste Einfall des Abends. Aber Spaß macht’s allemal, wenn Andrew Van Wyngarden da vorne steht und sein „Your Life Is A Lie“ ins Mikro nuschelt: „Count your friends on your hands. Now look again, they’re not your friends“ heißt es da. Da singt dann plötzlich keiner mehr mit, und plötzlich erkennt man ganz klar: Das mit den Popsongs damals, das war wahrscheinlich nur ein großer Witz. Jochen Overbeck

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