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Der britische Dirigent Sir John Eliot Gardiner.

© picture alliance / dpa

Konzert der Berliner Philharmoniker: Vor der Musik kommt der Appell, zu helfen

Brahms, Hölderlin und Mendelssohn: Dirigent John Eliot Gardiner und sein Monteverdi Choir spenden fragilen Trost.

Über dieses Konzert kann man nicht schreiben, ohne seine Vorrede zu berücksichtigen. Denn ehe die Musik erklingt, gehört die Bühne der UNO-Flüchtlingshilfe, deren Partner die Berliner Philharmoniker sind. Eindringlich erinnert sie daran, dass der Krieg gegen die Ukraine zur größten Zahl um ihr Leben fliehender Menschen in Europa seit Ende des Zweiten Weltkriegs führt. Menschen, die Hilfe brauchen.

Die Erschütterung durch Tod und Vertreibung auch findet ihren Weg hinein in Brahms’ „Schicksalslied“, mit dem John Eliot Gardiner sein Gastspiel am Dirigentenpult der Berliner Philharmoniker beginnt. Die strikte Trennung der Sphären in Hölderlins Gedichtvorlage zwischen den Himmlischen – die „in stiller ewiger Klarheit“ über dem Leben schweben – und den taumelnden, leidenden Menschen, die ins Ungewissen stürzen, bekommt hier feine Risse.

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Der Gazevorhänge des edel gedämpften Klangs erscheinen wie eingerissen, und die „heiligen Saiten“ mit durchaus irdischer Verzweiflung gespielt. Gardiners mitgereister Monteverdi Choir ist zu großartigen emotionalen Ausbrüchen fähig und überflügelt die Philharmoniker darin atemberaubend.

Tenor Werner Güra spürt Finsternis und Todesangst nach

Dieses ausgeprägte Gespür fürs menschliche Drama kommt auch Mendelssohns „Lobgesang“-Symphonie zugute. Gardiner lotst die Philharmoniker, die sich vor ihrer großen Oster-Residenz in Baden-Baden mit Suyoen Kim die 1. Konzertmeisterin des Konzerthausorchesters ausleihen, mit großen Aufschwüngen ins zentrale „Alles, was Odem hat, lobe den Herrn“. Tenor Werner Güra spürt anrührend Finsternis und Todesangst nach, während sich Sopran Lucy Crowe übersprudelnd in Dank verströmt.

Der Chor plädiert, „die Waffen des Lichts“ zu ergreifen

Zwischen ihnen kann sich Gardiner ganz auf seinen Chor verlassen, der so mitreißend dafür plädiert, „die Waffen des Lichts“ zu ergreifen, dass Krieg in aufgeklärten Zeiten ganz und gar unmöglich scheint. Noch steht im Terminkalender der Philharmoniker als Ort für das Europakonzert am 1. Mai: Odessa. Mit Gardiner und seinem fulminanten Chor will man die Hoffnung nicht aufgeben, aller Verzweiflung zum Trotz (noch einmal heute, Samstag, 19 Uhr).

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