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Zwischen den Fronten. Tala (Lubna Azabal) und Yehuda (Yousef Sweid).

© MFA

Komödie „Tel Aviv on Fire“: Bombige Liebesgrüße

Der Nahostkonflikt als Seifenoper? Der temporeichen Komödie „Tel Aviv on Fire“ von Sameh Zoabi gelingt dieses Kunststück.

Über einige Dinge verbieten sich Witze. Leid, Gewalt, der Holocaust, Völkermord, Attentate, sie sind zu Recht mit Tabu belegt. Es sei denn, dem Erzähler gelingt das seltene Kunststück, dem Ernst der Lage und dem Trauma der Opfer noch in der Pointe gerecht zu werden. Kein leichtes Unterfangen, denn Humor verlangt eben das: Leichtigkeit.

Der in Israel lebende palästinensische Regisseur Sameh Zoabi hat es gewagt und den Nahostkonflikt als Komödie in Szene gesetzt. Auf dem Set der in Ramallah und Jerusalem gleichermaßen beliebten Sechstagekrieg-Soap „Tel Aviv on Fire“ wird gerade die Szene gedreht, in der die von ihrem Terroristen-Lover instruierte palästinensische Spionin Tala (Lubna Azabal) den israelischen General Yehuda zu verführen versucht. Da stolpert Salam (Kais Nashif, bekannt aus „Paradise Now“) ins Studio, ein melancholischer Taugenichts und Habenichts. Sein Produzenten-Onkel hat ihm den Job verschafft. Er soll bei den hebräischen Dialogen helfen und vermasselt gleich seinen ersten Einsatz. Den Flirtspruch „Du siehst bombig aus“ hält er für unhöflich, während die Drehbuchautorin stolz auf ihr Wortspiel ist – und schon gibt es Zoff.

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Zur virtuosen Farce schürzt sich der Stoff aber erst, als der in Jerusalem lebende Salam die Diskussion über die Bomben-Vokabel mit einer israelischen Soldatin am Checkpoint fortsetzen will. Prompt wird er abgeführt. Der Grenzoffizier Assi (Yaniv Biton) horcht jedoch auf, als er den Autor von „Tel Aviv on Fire“ vor sich glaubt, sind die Frauen in seiner Familie doch süchtig nach der Serie. Es kommt zum Deal. Immer wenn Salam den Checkpoint passiert und ihm arabischen Hummus mitbringt, gibt der Grenzer ihm Tipps für das Script. Seine Idee: Der israelische General ist nicht fies, sondern ein Gentleman, der Jude und die Palästinenserin verlieben sich ineinander und heiraten zu guter Letzt.

Fortan sieht sich Salam einer Aufgabe gegenüber, die ungefähr so unlösbar ist wie die politische Situation in Israel seit dem Sechstagekrieg. Kaum verleiht er dem General freundliche Züge, sieht die Hauptautorin ihr Script zu „zionistischer Propaganda“ verzerrt. Der Produzenten-Onkel hält eine Hochzeit für ebenso illusionär wie das Osloer Friedensabkommen von 1993, während Soap-Fan Assi auf den versprochenen Kuss in der Serie dringt. Der Israeli will bei seiner Ehefrau punkten, die jeden Antisemitismus-Vorwurf gegen „Tel Aviv on Fire“ vom Tisch wischt. Es sei romantisch, insistiert sie, nicht politisch.

Lust an der Farce

Seit dem Streit um das Jüdische Museum Berlin und den Rücktritt von Direktor Peter Schäfer im Juni ist viel von Identitätspolitik in der komplizierten Gemengelage zwischen Israel und dem Rest der Welt, zwischen Juden, Nicht-Juden und Palästinensern die Rede. Regisseur Zoabi gelingt es in seiner (in Israel und Luxemburg gedrehten) Koproduktion, mit diesen historisch gewachsenen, schmerzgeplagten Identitäten und wechselseitigen Zuschreibungen zu jonglieren, mit Lust an der Farce und voller Respekt. Die Existenzbedrohung der Juden in Israel und die Lage der Palästinenser rechnet er nicht gegeneinander auf. So unvereinbar die Perspektiven, in einem Punkt treffen sie sich doch: Der Traum vom Frieden bleibt eine Sechziger-Jahre-Romanze, aus beiden Blickwinkeln.

Erpressung, Entführung, Liebeskummer – Salam will mit seinen Soap-Dialogen auch noch seine große Liebe zurückgewinnen –, dazu eine kapriziöse französische Diva: „Tel Aviv on Fire“, der bei den Festivals in Venedig und Haifa Preise gewann, bedient sich Seifenopern-Konventionen und lebt vom Tempo seiner Plotwendungen, vom Running Gag mit dem Hummus und einem überraschenden Twist am Ende. Eine Staffel Nahostkonflikt? Die Realität hat das Zeug zur Endlos-Serie.

- In 7 Kinos in OmU; deutsch: Delphi Lux, Filmtheater Friedrichshain, New Yorck

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