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Schwiegereltern von der Elfenbeinküste. Charles’ Mutter Madeleine Koffi (Salimata Kamate) und sein Vater André (Pascal Nzonzi) sind nicht gerade die Tolerantesten.

© Neue Visionen Filmverleih

Komödie "Monsieur Claude 2": Multikulti zum Aufwärmen

Verständnis für den Wutbürger und seine Ressentiments: „Monsieur Claude 2“ erzählt den französischen Komödienhit von 2014 weiter.

Da sind sie wieder, die Verneuils mit dem erzfranzösischen Monsieur Claude, seiner tapfer-toleranten Gattin Marie und ihren Multikulti-Schwiegersöhnen, dem jüdischen Möchtegern-Unternehmer David, dem maghrebinischen Anwalt Rachid, dem chinesisch-stämmigen Banker Chao und dem Schauspieler Charles von der Elfenbeinküste. Das kunterbunte Quartett hat Furore gemacht, seit die vier die Verneuil-Töchter ehelichten und den entsetzten Eltern süßsaure Koscher-Halal-Hochzeiten bescherten. Über zwölf Millionen Franzosen sahen Philippe de Chauverons Familienkomödie von 2014, unter dem katholischen Stoßseufzer-Originaltitel „Was haben wir dem lieben Gott nur getan?“. Auch in Deutschland waren „Monsieur Claude und seine Töchter“ der Hit, er brachte es auf fast vier Millionen Zuschauer.

Witze über Ressentiments, Antisemitismus, Xenophobie und Diskriminierung gehen schon deshalb gut, weil man sich ja nicht über die Anderen mokiert, sondern über sich selbst. Über die eigene Borniertheit, den eigenen beschränkten Horizont, die eigene Unfähigkeit zur Integration. Der Chinese ist devot, der Jude geschäftstüchtig, der Araber ein Macho? Huch, wir trauen uns was, ist es nicht köstlich? Munter lässt man die Sau raus und bezichtigt sich selber des Tabubruchs. Unter dem Deckmantel der Selbstkritik werden politische Unkorrektheiten im Dutzend ausbuchstabiert. Kinokomödie als Aggressionsabfuhr in Zeiten von Pegida und vermeintlichem Gutmenschentum: Auf dem Erfolgsrezept basierte auch Simon Verhoevens deutsche Flüchtlingskomödie „Willkommen bei den Hartmanns“ von 2016.

Die Weltreise in die Heimatländer war grauenvoll

In „Monsieur Claude 2“ begegnet Regisseur de Chauveron dem französischen Wutbürger (und potentiellen Le-Pen-Wähler) erneut mit Nachsicht und weckt Empathie für dessen Schwächen. Etwa wenn das Ehepaar Verneuil nach der versprochenen Weltreise in die Heimatländer der Angetrauten – die sich wegen Burka-Frauen, strapaziösem Klima und ekligem Essen selbstredend als horribel entpuppte – bei der Rückkehr in die geliebte Provinz erst mal die Weidekühe anhimmelt. Oder wenn die beiden die dauerdiskriminierungsbedingten Auswanderungspläne aller vier Schwiegersöhne samt Töchtern und Enkelkindern mit Macht hintertreiben.

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Keiner finanziert Davids Geschäftsideen? Rachid wird ausschließlich mit Kopftuch-Fällen betraut? Charles bekommt immer nur Nebenrollen und nie den Othello? Auf Chaos Getränkewunsch – „einen Pastis bitte!“ – reagiert der Kellner mit der perfiden Nachfrage, ob ein „kleiner Gelber“ gemeint sei? Das muss sich ändern! Prompt paart sich Verneuils Nationalstolz mit Tatkraft, wird Integration zur Sache der Familienehre. Komödie der Anpassungen: Wenn David, Rachid und Co. sich nicht adaptieren, muss Frankreich es halt tun. Wäre doch gelacht, wenn sich dieser ganze Rassismus nicht aus dem Weg räumen ließe. Und sei er noch so berechtigt.

Die Pointen wiederholen mechanisch ein Muster

Aber der Witz ist diesmal schal, die aufgewärmten Pointen wollen nicht zünden. Weil sie das Muster aus dem ersten Teil fast mechanisch wiederholen und erneut angestrengt lässig Ausgewogenheit demonstrieren: Charles’ Elfenbeinküsten-Vater ist mindestens so borniert wie Monsieur Claude, überhaupt bekommen alle gleichermaßen ihr Fett weg. Die Töchter in dem zehnköpfigen Familienensemble rund um Christian Clavier und Chantal Lauby als Monsieur und Madame bleiben erneut Staffage. Und die Sidekicks, von denen gute Komödien ja ebenfalls leben, bleiben all zu spärlich gesät, etwa die kurzen trockenen Lacher, in die der Pfarrer gerne verfällt. Da nützt es auch nichts, dass „Qu’est-ce au’on a encore fait au Bon Dieu – Was haben wir dem lieben Gott nun schon wieder getan?“ um weitere heikle Sujets angereichert ist. In Gestalt des Flüchtlings, der in der Gartenlaube hausen darf, in der Person von Charles’ Schwester, die den afrikanischen Eltern ihre lesbische Liebe verheimlicht, und im Hass der Provinz auf Paris. Auch so eine altbewährte französische Tradition.

Hier könnte „Monsieur Claude 2“ politische Brisanz gewinnen – wenn der Film denn nur wollte. Aber dem bitteren Ernst der aktuellen Gelbwesten-Proteste der Abgehängten kommt das harmlos-heitere, schier ewige Kreiseln um einen der berüchtigten Rond-Points nicht bei. Die Kreisfahrerei soll nur die Unschlüssigkeit eines der Paare illustrieren, eine Anspielung auf den Hauptschauplatz der jüngsten sozialen Unruhen haben de Chauveron und Ko-Autor Guy Laurent nicht im Sinn. Lieber statten sie den pensionierten Familienvater Verneuil mit literarischen Ambitionen aus und lassen ihn in jeder freien Minute an einer Biografie des Schriftstellers Alfred Tonnellé arbeiten, dem bedeutendsten Vertreter des sogenannten Pyrenäismus.  

Frankreichs Filmgeschichte ist voll von Sittengemälden über die Bourgeoisie, ihre kriminelle Energie, Dekadenz und Melancholie, von Renoir bis Chabrol. Auf das große Fressen folgt nun das große Verzeihen.

In 28 Berliner Kinos, OmU: Central, Cinema Paris, Kulturbrauerei, Moviemento

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