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Das Ensemble von "Der nackte Wahnsinn".

© Andi Weiland

Komödie im Theater RambaZamba: Eine Theatertruppe auf dem Weg in die Anarchie

So hat man Boulevard lange nicht gesehen: Das inklusive Theater RambaZamba spielt eine tolle Inszenierung von Michael Frayns „Der nackte Wahnsinn“.

Die Tür ist ja der wahre Star des Boulevardtheaters. Was hat sie nicht alles zu tun! Krachend zuschlagen, zur Unzeit auffliegen, aus den Angeln kippen, wenn’s ganz bunt läuft, oder auch bersten unter dem Ansturm irgendeines armen Tölpels, der partout mit dem Kopf hindurch will. Es ist jedenfalls ein wirklich schöner Kunstgriff, dass Regisseur Jacob Höhne in seiner Inszenierung von Michael Frayns Mutter aller Boulevardkomödien, „Der nackte Wahnsinn“, der Tür endlich mal den Rang einräumt, der ihr gebührt. Aber der Reihe nach.

Frayns „Nackter Wahnsinn“ am inklusiven Theater RambaZamba – das ist eine Verheißung. Schließlich geht es in dieser Farce um eine abgehalfterte Provinztheatertruppe, die sich vor und hinter der Bühne nach allen Regeln der Kunst selbst zerlegt. Perfekter Stoff für das RambaZamba-Ensemble. Ohne den Spielerinnen und Spielern mit Behinderung irgendeinen Wahrhaftigkeitskitsch aufbürden zu wollen – sie neigen definitiv nicht zu Eitelkeiten und Virtuosen-Allüre. Und weniges ist bekanntlich schlimmer, als einem Schauspieler, der sich für einen tollen Hecht hält, dabei zuzusehen, wie er einen schlechten Schauspieler zu performen versucht. Also, das droht einem hier schon mal nicht.

Frayn lässt seine abgerockte Tournee- Combo einen Schwank namens „Nackte Tatsachen“ probieren (das Stück im Stück), ganz offensichtlich eine grauenhafte Klipp-Klapp-Klamotte, die zum Inhalt nichts als Schlüpfrigkeiten und Sardinen hat. Regisseur Jacob Höhne macht daraus eine Performance, in der die Darstellerinnen und Darsteller im UV-Licht mit neongrellen Türen tanzen, wobei sie riesige Gipsmasken tragen, die aussehen wie griechische Antike auf LSD. Das Ganze in einem Bühnenbild (ebenfalls von Höhne), das im Wesentlichen aus einer sperrhölzernen Kulissenwand mit acht Türen besteht. Bleibt festzuhalten: so hat man Boulevard lange nicht gesehen. Wo ein Regiewille ist, ist auch ein Weg.

Ein großer selbstironischer Spaß

Den Spielleiter, der eingangs erst mal ein „Regie“-Schild an den Klappstuhl klebt, gibt hier Sebastian Urbanski. Und zwar umwerfend gut. Er ist der Lenker und Leidtragende des Chaos, der Demiurg, der unter der eigenen Schöpfung ächzt. Zum Beispiel, wenn plötzlich eine Choreografie in sein Sardinen-Spiel einbricht, und er nur stöhnt: „Scheiße, die Tänzer!“ Allzu viel Mitleid verdient diese Künstlerseele allerdings auch wieder nicht. Schließlich schwängert er nicht nur seine Assistentin (Rebecca Sickmüller), sondern pirscht sich als ungebremster Erotomane an jede einzelne Schauspielerin im Ensemble ran, von Nele Winkler bis Hieu Pham. Mit dem wenig schmeichelhaften Brunftruf „Mir platzt gleich die Hose!“, übrigens.

Klar ist dieser „Nackte Wahnsinn“ auch ein großer selbstironischer Spaß. Die Abgründe des Theaterbetriebs mit seinen Pannen, Unpässlichkeiten und Animositäten, die werden sie auch am Theater RambaZamba kennen. Christian Behrend spielt famos einen unkontrollierbaren Trinker, Aaron Smith einen um Anerkennung ringenden Hauptdarsteller im Kleid („Was ist mit dem Text, Schätzchen, war er in etwa richtig?“), Franziska Kleinert eine donnernd-burschikose Intendantin, Hans-Harald den Techniker, dem das ganze Künstlergetue schwer gegen den Strich geht.

Als Gast ist Matthias Mobsbach (noch vom Berliner Ensemble vertraut) zu diesem All-Star-Team gestoßen, auch er in großer Form: als Kantinen-Schwadroneur, dem zu allem eine abgestandene Theater-Anekdote einfällt, Marke: „Ich hab auch mal in der Freien Szene gespielt, in Saarbrücken“. Großartig, wenn er sich im laufenden Tourneebetrieb – den Michael Frayns Stück im zweiten und dritten Akt ja unerbittlich seinen Gang nehmen lässt – hinter den Kulissen mit Joachim Neumann anlegt und voll überschießendem Dünkel ruft: „Dieser Mann ist Provinz!“ Leo Solter am Piano singt dazu das Lied vom Dramaturgen (was macht der eigentlich?), und ein entrückter Tanz mit Türen driftet in die unausweichliche Anarchie. Großes Theater eben.

Vorstellungen wieder ab 16. Juni

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