zum Hauptinhalt
Die Komische Oper an der Ecke Glinkastraße und Unter den Linden.

© Kai-Uwe Heinrich

Komische Oper Berlin: Wie kann ein Sanierungsdebakel verhindert werden?

Geplatzter Wettbewerb, ungeklärte Eigentumsfrage - die Sanierungspläne für die Komische Oper Berlin sorgen für Aufregung. Jetzt reagiert die Lokalpolitik.

In Geldangelegenheiten konnte Ludwig van Beethoven schnell fuchsig werden. „Die Wut über den verlorenen Groschen“ heißt eines der populärsten Klavierstücke des Komponisten. Wegen zehn Pfennigen wird in diesem Rondo aus dem Jahr 1798 jede Menge virtuoser Lärm verursacht.

Im Fall der Sanierung und Erweiterung der Komischen Oper geht es um eine deutlich größere Summe. Nämlich 227 Millionen Euro – und entsprechend ist auch das Erregungspotenzial.

Der erste Architektenwettbewerb musste annulliert werden

Sabine Bangert, Grünen-Politikerin und Vorsitzende des Kulturausschusses im Abgeordnetenhaus, findet die Art und Weise, wie die Berliner Verwaltung bislang den Prozess der unzweifelhaft notwendigen Ertüchtigung des Musiktheaters betreibt, „zutiefst besorgniserregend“ – vor allem die in vielen Bereichen vorherrschende Intransparenz sei nicht akzeptabel. Der erste Architektenwettbewerb musste wegen Formfehlern annulliert werden, der zweite, der seit Mitte Dezember läuft, könnte ebenfalls angefochten werden, weil die Teilnehmer, die schon in der ersten Runde dabei waren, deutlich mehr Zeit für die Erarbeitung ihrer Entwürfe haben als jene, die erst dazugestoßen sind.

„Politisch willkürlich gesetzte Baukosten“

Wer Informationen zum Stand des Projekts haben will, findet beim Senat niemanden, der den Hut aufhat. Stattdessen ist für jedes Detail eine andere Dienststelle zuständig. „Als ehemaliges Mitglied im Untersuchungsausschuss zur Staatsoper habe ich derzeit ein Déjà-vu nach dem anderen“, sagt Sabine Bangert. „Das fängt schon bei der politisch willkürlich gesetzten Summe für die Baukosten an.“

Schließlich habe man beim Sanierungsdebakel um die letztlich 440 Millionen Euro teure Lindenoper erlebt, zu welchen Explosionen des Finanzbedarfs es führen kann, wenn der Bauprozess gestartet wird, bevor überhaupt feststeht, in welchem Zustand sich ein historisches Haus befindet. Das aber lässt sich seriös nur untersuchen, wenn die Künstler ausgezogen sind und die Fachleute auch hinter die Wandverkleidungen und in die Kabelschächte schauen konnten.

Wenig nachvollziehbar findet die Grünen-Politikerin auch die Forderungen des Denkmalschutzes. Der möchte die Komische Oper nämlich in den Zustand von 1966 zurückversetzen lassen, als im Zuge einer Aufwertung der „Hauptstadt der DDR“ die nach dem Krieg nur notdürftig hergerichtete Bühne neue Foyers und Funktionsräume erhalten hatte.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

„Entweder man stellt den Ursprungszustand des 1892 errichteten Hauses wieder her, oder man sucht eine ganz moderne Lösung“, sagt Sabine Bangert. Die vor 24 Jahren nach einer Wärmedämmung erneuerte Fassade an der Behrenstraße abzureißen und auch die 2005 vom Architekten Stephan Braunfels elegant aufgewerteten Garderoben und Pausenhallen in den Zustand des real existierenden Sozialismus zurückzubauen, hält sie für eine absurde Idee. „Das widerspricht völlig dem Grundsatz, dass wir nachhaltig denken und keine Ressourcen verschwenden sollen.“

Besonders problematisch an den Forderungen des Denkmalschutzes findet Bangert, dass dabei überhaupt nicht an die Nutzer gedacht wird. „Die Komische Oper ist kein museal genutztes Preußenschloss, sondern ein Haus mit täglichem Publikumsverkehr.“ Die Arbeitsbedingungen der Künstler wie die Aufenthaltsqualität der Nutzer müssten im Vordergrund stehen. „Wie die nicht unproblematische Akustik verbessert werden soll, darüber findet sich in der Ausschreibung kein Wort“, fügt Bangert hinzu.

Entwarnung in Sachen Bestuhlung

Stattdessen steht dort, dass die erst 2009 angeschaffte Bestuhlung mit der Innovativen Untertitelanlage in den Sitzlehnen ausgetauscht werden solle – ebenso wie der Fußboden im Parkett, um einem neuen Belag „in höherwertiger Qualität entsprechend dem repräsentativen Charakter“ Platz zu machen. Bezüglich der Bestuhlung kann Regina Kittler von der Linksfraktion allerdings Entwarnung geben: Hier handelt es sich um einen Fehler in den Unterlagen, das hat die Kulturverwaltung auf Nachfrage zugegeben. Geplant ist lediglich, die Polsterung aufzuarbeiten sowie die Displays auszutauschen – auf denen können die Gesangstexte nämlich noch nicht in arabischer oder chinesischer Schrift angezeigt werden.

Anhörung im Kulturausschuss angesetzt

Die rot-rot-grüne Koalition entschlossen, eine Anhörung zur Komischen Oper im Kulturausschuss anzusetzen, erzählt Frank Jahnke, der kulturpolitische Sprecher der SPD. Die Sitzung wird am 24. Februar stattfinden, eingeladen werden sollen Senatsbaudirektorin Regula Lüscher, der Chef des Landesdenkmalamts Christoph Rauhut sowie der Intendant der Komischen Oper Barrie Kosky. „Wir werden kritisch nachfragen und so Öffentlichkeit herstellen“, kündigt Jahnke an. „Nach den Erfahrungen mit der Staatsoper werden die Parlamentarier das Projekt nicht einfach geschehen lassen.“

Die Substanz des Hauses umfassend untersuchen

Die Linken-Politikerin Regine Kittler hat ebenso wie die FDP und CDU keine Probleme mit den Denkmalschutzvorgaben. Sibylle Meister von den Liberalen betont die Bedeutung, die die Komische Oper in der DDR hatte und findet es darum in Ordnung, wenn der Zustand von 1966 wiederhergestellt wird. Robbin Juhnke, der kulturpolitische Sprecher der CDU, sieht das ähnlich. Größere Sorgen bereitet der Vertreterin und dem Vertreter der Opposition dagegen die Finanzierungsfrage. „Diesmal dürfen die Sanierungsarbeiten wirklich erst dann losgehen, wenn die vollständigen Bauplanungsunterlagen vorliegen“, betont Sibylle Meister. „Darauf wird das Parlament achten.“ Damit die Substanz des Hauses im Vorfeld umfassend untersucht werden kann, würde sie sogar eine Verschiebung des Baubeginns in Kauf nehmen.

Das von Stephan Braunfels umgestaltete Foyer der Komische Oper.
Das von Stephan Braunfels umgestaltete Foyer der Komische Oper.

© Jirka Jansch

Im Fall der Staatsoper hatten die schrittweise Erstellung der Unterlagen sowie Änderungen im laufenden Prozess wesentlich zur Kostenexplosion beigetragen. Für die FDP-Politikerin ist die derzeit im Raum stehende Summe von 227 Millionen Euro nicht in Stein gemeißelt. Wenn sich im Planungsprozess herausstelle, dass der Bedarf höher ist, müsse die Politik den Mut haben, diese Summen zu kommunizieren: „Wir müssen uns ehrlich machen, damit wir glaubwürdig bleiben.“

Einen anderen wunden Punkt spricht die AfD an, die ungeklärte Frage nämlich, wem das Grundstück an der Glinkastraße gehört, auf dem der Neubau für die Büros und Probebühnen entstehen soll. In der Drucksache 18/21864 erklärte die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen am 19. Dezember gegenüber der Partei: „Das Land Berlin ist Eigentümer des Grundstücks.“

Der Rechtsstreit um das Grundstück ist noch nicht entschieden

In der Finanzverwaltung sieht man das anders. Dort hieß es als Antwort auf eine Tagesspiegel-Anfrage: „Der Rechtsstreit ist noch nicht entschieden. Es ist möglich, dass der Rechtsstreit noch zum BGH geht.“ Das Land streitet mit dem Investor IVG, der das Grundstück 2000 gekauft hatte. Allerdings unter der Bedingung, es auch zu bebauen. Als dies nicht geschah, trat Berlin vom Kaufvertrag zurück.

Das Gebäude der Komische Oper wurde 1892 errichtet. Bis auf den Saal wurde es im Zweiten Weltkrieg zerstört.
Das Gebäude der Komische Oper wurde 1892 errichtet. Bis auf den Saal wurde es im Zweiten Weltkrieg zerstört.

© Stadtmuseum Berlin, Reproduktion: Friedhelm Hoffmann, Berlin

Über die Rechtmäßigkeit dieses Schrittes entbrannte ein Rechtsstreit, den das Land in erster Instanz gewann. Die Verhandlung in zweiter Instanz ist vom Kammergericht nun für den 11. Februar angesetzt. Doch selbst wenn das Land erneut als Sieger hervorgeht, hat der Investor noch die Möglichkeit, auf Bundesebene Revision einzulegen. So eine letztinstanzliche Entscheidung könnte aber bis zu sieben Jahre dauern.

Die Betriebsgenehmigung läuft nur bis zum Sommer 2023

Sabine Bangert glaubt, dass IVG pokern und mit dem Gang zum BGH drohen werde, um einen außergerichtlichen Vergleich zu erwirken. Der Senat steht unter Zeitdruck, da die Betriebsgenehmigung für das marode Musiktheater nur bis zum Sommer 2023 gesichert ist. Darum, so vermutet Bangert, könnte Berlin bereit sein, dem Investor eine Abfindung zu zahlen. Regina Kittler von der Linken sieht diese Gefahr auch, fordert aber, dass sich Berlin auf keinen Fall erpressen lassen darf: „Wir müssen jetzt die Planung vorantreiben, damit wir sofort loslegen können, wenn Rechtssicherheit besteht. Notfalls könnte man auch erst nur mit der Sanierung des Altbaus beginnen.“

Egal wie der Rechtsstreit ausgeht, Gelegenheiten für Wut über verlorene Groschen dürfte die Causa Komische Oper in den kommenden Jahren auf jeden Fall noch genug bieten.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false