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Philip Bröking und Susanne Moser mit dem Modell des Anbaus für die Komische Oper.

© Jan Windszus

Komische Oper Berlin: Alles bleibt anders

Susanne Moser und Philip Bröking bilden die Doppelintendanz der Komischen Oper ab Herbst 2022. Jetzt haben sie ihre erste Saison vorgestellt.

Man darf sich die Komische Oper wie eine Wohngemeinschaft vorstellen: Eine lustige Truppe, die gern im kreativen Chaos lebt und bei der die Tür jederzeit gastlich offensteht. Darum bricht auch nicht gleich die ganze Community auseinander, nur weil jetzt der lauteste Mitbewohner auszieht. Barrie Kosky wird im Sommer nach zehn äußerst erfolgreichen Jahren seinen Job als Intendant abgeben – er behält aber einen festen Platz auf der Schlafcouch, sprich: Er wird weiterhin zwei Produktionen pro Saison inszenieren, und er bleibt ein geschätzter Gesprächspartner für heiße Küchentischdiskussionen, offiziell „künstlerischer Berater“ genannt.

Als neue Hauptmieter aber fungieren künftig Susanne Moser und Philip Bröking. Beide gehören schon seit 15 Jahren zur WG, sie als Frau fürs Geld, also Geschäftsführende Direktorin, er als Alltagsorganisator, also Operndirektor mit Zuständigkeit für die Sängerbesetzungen. Und weil beide überzeugte Teamworker sind, haben sie zwei vertraute Mitstreiter in die Leitungsebene geholt: Johanna Wall, die schon von 2012 – 18 an der Komischen Oper gearbeitet hat und jetzt als Chefdramaturgin zurückkehrt, und Rainer Simon, der seit 2012 Koskys Referent war und sich künftig um Aufführungen in Außenspielstätten kümmert.

Und davon wird es viele geben, denn nach einer letzten Spielzeit, in der es das 75-jährige Gründungsjubiläum des Hauses zu feiern gilt, muss das Ensemble für mindestens fünf Jahre ins Schillertheater umziehen. Das komplett verwohnte Gebäude an der Behrenstraße wird generalsaniert und um einen schicken Anbau erweitert. Wo überall die Komische Oper während ihres Exils mit Produktionen präsent sein will, möchten Susanne Moser und Philip Bröking noch nicht verraten. Klar ist nur, dass auch unter ihrer Führung weiter das Motto „Eine für alle!“ gilt. Womit gemeint ist, dass künstlerisch sämtliche Genres bedient werden, von der Operette bis zur Uraufführung – und zwar so, dass sich jede und jeder angesprochen fühlt.

Ein Dutzend Premieren kündigen sie für 2022/23 an. Gleich im September soll sich der Saal für Luigi Nonos „Intolleranza 1960“ in eine Eiswüste verwandeln, die Sitze im Parkett werden ausgebaut, das Orchester spielt im 2. Rang (Regie: Marco Storman, Szene: Marton Agh). Herbert Fritsch hat sich vorgenommen, in Wagners düsterem See- und Seelendrama vom „Fliegendem Holländer“ Leichtigkeit zu entdecken, Kirill Serebrennikow erstellt eine Berliner Version seiner Zürcher „Così fan tutte“, die er 2018 aus dem Hausarrest nur per Video hatte inszenieren können. Dirigentin Marie Jacquot und Regisseurin Nadja Loschky wagen sich an die Hamlet-Vertonung des französischen Komponisten Ambroise Thomas von 1868, Axel Ranisch soll eine szenische Fassung von Händels „Saul“-Oratorium erarbeiten.

Die Geschwister Pfister bringen als Gastspiel ihre „Rache der Fledermaus“ aus Winterthur mit, zwei Singschauspielstars des Hauses werden erstmals auch Regie führen: Dagmar Manzel bei Franz Wittenbrinks „Pippi Langstrumpf“, Max Hopp bei zwei Einaktern von Jacques Offenbach. Und Barrie Kosky? Stürzt sich auf das „La Cage aux Folles“-Musical und zaubert aus Kurt-Weill-Songs einen Berlin-Abend mit dem Titel „...und mit Morgen könnt ihr mich!“. Da wackeln die WG-Wände. Frederik Hanssen

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