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Wahlkampfplakat der SPD, Scholz wie S, packt wie P, das wie D ...

© imago images/Jan Huebner

Kolumne „Spiegelstrich“: Ganz grün im Gesicht

Plakate sind in Deutschlands Wahlkämpfen wichtig. Nur sind sie und ihre Botschaften oft verunglückt - die SPD aber überzeugt mit „Scholz packt das an“.

Klaus Brinkbäumer ist Programmdirektor des MDR in Leipzig. Sie erreichen ihn unter Klaus.Brinkbaeumer@extern.tagesspiegel.de oder auf Twitter unter:@Brinkbaeumer.

Christian Lindner sieht durchaus cool aus, dreitagebärtig, den Blick gesenkt, vielleicht trinkt er Whiskey oder er schreibt ein Gedicht, das könnten Filmszenen sein.

Doch in der Erinnerung verhakt sich wenig, denn was Lindner will, steht da nicht, da stehen bloß jede Menge Wörter herum: „Nie gab es mehr zu tun.“ „Warten wir nicht auf morgen. Gehen wir hin.“ In den Sonnenaufgang?

Plakate sind in Deutschlands Wahlkämpfen wichtig, immer noch. In den fernen USA ist das anders, da werben nicht die Parteien mit Plakaten, sondern die Wählenden. In Millionen von Vorgärten werden die Namensschilder gerammt: „Biden/Harris“ oder eben „Trump“, auch „Obama“ steht weiterhin herum, sogar „Clinton/Gore“ sieht man noch auf Aufklebern auf Heckscheiben, denn Amerikas Menschen möchten eine politische Identität kundtun und haben.

In Deutschland wollen uns die Parteien via Plakat etwas sagen, aber Annalena Baerbock ist ganz grün im Gesicht, so grün wie dieses Emoji, das ich in meinem digitalen Leben noch kein einziges Mal benutzt habe, weil es sich halt übergibt.

"Wahlplakate verbieten" fordert Die Partei - auf einem Wahlplakat

Nach einigen Wochen an der frischen Luft sehen die Plakate der Grünen nicht gesünder aus, weil zum Grün inzwischen verwässertes Graubraun gekommen ist; vor und an Bäumen bemerkt man die Bilder nicht mehr. Und die Slogans sind floskelig („Zuhören und Zutrauen“); das majestätisch groß geschriebene „Ihr“ („Bereit, weil Ihr es seid“) passt dazu trefflichst.

Lange her: Acht Jahre lang habe ich Titelbilder betextet und ausgewählt. Unsere Ziele waren damals Klarheit der Aussage; emotionale Wucht des Fotos oder der Illustration; Überraschung; Humor; so wenige Worte wie möglich, also permanente Reduktion; und dann noch eine Kleinigkeit für den zweiten Blick, ein „Täubchen für Dirk“, wie wir die Spielerei zum besonderen Vergnügen eines Kollegen und weiterer Liebender nannten. Manchmal ging's schief wie bei „German Übermacht“ (2015), da stand die Kanzlerin mit Nazis auf der Akropolis herum; manchmal ging's auf wie bei Trumps Enthauptung der Freiheitsstatue, „America First“ (2016). Gute Titelbilder sind jedenfalls das Plakat der Woche.

Tagesspiegel-Kolumnist Klaus Brinkbäumer.
Tagesspiegel-Kolumnist Klaus Brinkbäumer.

© Tobias Everke

In diesen Wochen sind Plakate überall, doch sind die Dinger wirklich welche? „Wahlplakate verbieten“, fordert Die Partei via Wahlplakat, und ich kann sie verstehen. Den Leipziger Clara-Zetkin-Park haben die Tierschutzpartei („Wald retten“ mit Ausrufezeichen und Foto von Laub und Moos) und die ÖDP („Bio muss wachsen“ mit hässlicher Karotte und nicht hübscherer Gurke) volltapeziert. Den Rest der Stadt, die Straßen Leipzigs, dominieren die Größeren.

Ihre Kampagne wirkt nachtretend spießig, aber die AfD hat bessere Fotos als in früheren Jahren machen lassen, und ihr „Deutschland. Aber normal.“ hat konservativen Witz; wie auch das kleine „f“, das im Parteilogo über die zwei Großbuchstaben hinwegguckt.

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Die CDU sieht gleichfalls moderner aus als früher, denn ein Ring, „Unionskreis“ genannt und schwarz-rot-golden leuchtend, gibt ihren Postern ein Zentrum und lenkt den Blick. „Deutschland gemeinsam machen“ ist allerdings ein derart doofer Slogan, dass ich als Werber dafür keine Rechnung geschrieben hätte. Hat diesmal leider nicht gereicht, kostet auch nichts, herzlich, Ihr Team von Serviceplan.

Den Plakatkampf gewinnt nämlich die SPD. Ich blicke auf die Bilder und weiß dann so manches, was die Sozialdemokraten wollen. Ihr Rot fällt auf, und auf dem Rot lächelt Olaf Scholz, schwarz-weiß freigestellt und schlau fotografiert, mit übergroßen Händen. Dazu: „Scholz packt das an“, was wiederum so gesetzt ist, dass die drei Zeilenanfänge SPD ergeben, das einzige Täubchen weit und breit.

Klaus Brinkbäumer

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