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Die Weinachtszeit verbringen die meisten Menschen im Kreis der Verwandtschaft oder der Wahlverwandten.

© Federico Gambarini/ picture alliance/ dpa

Kolumne „HEILIGE Familie“: Wo kommen Sie denn her?

Weihnachtszeit ist Familienzeit. Höchste Zeit, sich über das Phänomen Familie ein paar Gedanken zu machen – jeden Tag bis Silvester.

Was du in den Genen hast, das wirst du so schnell nicht los. Sagen die einen. Andere finden: Familie kann man sich nicht aussuchen, aber es kommt darauf an, was du draus machst. Blut ist dicker als Wasser, heißt der Spruch, der oft und gerne falsch verstanden wird. Verträge, Eide, Freundschaften werden mit Blut besiegelt, gerade weil es dicker als Fruchtwasser ist, als die Familienbande.

So oder so, die Herkunft prägt. Die einen essen an Weihnachten Würstchen und Kartoffelsalat, in meiner Familie gab’s das an Silvester. Mag ich noch heute. Zum Geburtstag wurde man samt Stuhl in die Luft geworfen, was ich gelegentlich vermisse. Und Jammern war grundsätzlich verpönt. Wie war das, wie ist das bei Ihnen?

Redet ihr noch oder erbt ihr schon?

Ob man nun dicke ist mit der lieben Verwandtschaft oder über die Feiertage lieber die Weite sucht (was hierzulande die Wenigsten tun): Die kleinen Rituale, Gepflogenheiten und Essgewohnheiten, die Werte, der Humor, die Streitkultur – all das hat mit der Herkunftsfamilie zu tun. Und sei es, dass man es extra anders macht.

Familienerbe ist das Gepäck, das so gut wie jeder mit sich herum trägt. Manche machen es sich leichter damit, manche bekommen Rücken davon. Und später Gerichtstermine. Wer den Begriff „Familienerbe“ googelt, landet sofort auf Anwaltsseiten. Redet ihr noch oder erbt ihr schon? Leider geschieht es ja nicht selten, dass die Hinterlassenschaft der Eltern einen regelrechten Krieg unter den Kindern nach sich zieht. Scham, Gier, Neid, das sind die Ursachen.

Laut Statistik verliert über die Hälfte aller Erblasser zu Lebzeiten gegenüber den Nachfahren kein Wort über das Testament – aus Scham. Und weil so gut wie jeder Mensch unter zu wenig Aufmerksamkeit leidet, kommt spätestens bei der Testamentseröffnung der Neid ins Spiel. Alle anderen haben mehr, das fängt bei den Geschwistern an. Also zofft man sich um das Fotoalbum und das schöne Geschirr. Oder um die Immobilie, das ist dann die Gier.

Die Deutschen erben nicht schlecht: Einer Schätzung der Hans-Böckler-Stiftung von 2017 zufolge beträgt das Gesamtvolumen hierzulande jährlich bis zu 400 Milliarden Euro. 2018 betrugen alleine die Erbschafstssteuereinnahmen 5,7 Milliarden Euro. So haben auch die was davon, die persönlich nichts erben. Hoffen wir mal, dass Schulen und der öffentliche Nahverkehr davon profitieren.

Manche Erbstücke lassen sich nicht mit Gold aufwiegen

Mein Vater und seine Geschwister haben von ihrer Mutter eine Pappschachtel mit Briefen, Fotos und Dokumenten geerbt. Darin lag ein kleiner Zettel, den mein damals siebenjähriger Vater auf Bitten meiner Oma für den Großvater auf dem Küchentisch hinterließ, am 1. September 1939.

„Lieber Vater“, steht da in ordentlicher Sütterlinschrift, „wir müssen fort.“ Saarbrücken lag im deutsch-französischen Grenzgebiet, die Stadt wurde zwei Mal im Krieg evakuiert, jeweils binnen Stunden. Nur die Arbeiter der Burbacher Hütte mussten bleiben.

Wir müssen fort: Die Peitzens haben die Evakuierung und den Krieg überlebt. Mein Großvater hat den Zettel aufgehoben, meine Großmutter tat ihn in die Schachtel, mein Vater vermachte ihn kürzlich dem Stadtarchiv. Im Frühjahr lag der Zettel in einer Ausstellung über Burbach in einer Vitrine. Manche Erbstücke lassen sich nicht mit Gold aufwiegen.

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