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Feierschwein und Schriftsteller: Rainald Goetz bei seiner Büchnerpreis-Rede 2015.

© Daniel Maurer/dpa

Kolumne Feste feiern (5): Herzlichkeit durch Hüpfen

So viel Feiertage in so kurzer Zeit gibt’s nur einmal im Jahr, nämlich jetzt. Ein guter Anlass, das Feiern selbst abzufeiern, im Allgemeinen wie im Besonderen.

Wann fing das an, was ist passiert mit dem Feiern? Als ich Mitte der achtziger Jahre begann, regelmäßig auszugehen, in Kneipen und Bars, nicht so sehr in Clubs, die hießen da noch Discotheken, wunderte ich mich immer, wenn Freunde davon sprachen, dass sie „feiern“ gehen würden. Feiern? Tat man das nicht, wenn es Anlässe dafür gab, also Geburtstage, Hochzeiten, gute Schulzeugnisse, Silvester ... Aber einfach so, an einem x-beliebigen Mittwochabend, „feiern“? Was denn bloß? Das Leben, die Gegenwart, die Zeit?

Ein Jahrzehnt später war das Feiern gang und gäbe, gehörte zum Lifestyle: mit dem Aufkommen von Techno, dem Abfeiern nicht nur der Nächte, sondern gleich noch der Morgen und Mittage danach und immer weiter. Wer das am ausdauerndsten und fröhlichsten tat, der oder die kam nicht nur schnell und problemlos an den Türstehern der Techno- Clubs vorbei, sondern wurde anerkennend als „Feierschwein“ bezeichnet. Immer gut drauf, andere mitreißend, Stimmung machend.

So wie weiland der Schriftsteller, Mediziner und Historiker Rainald Goetz. Der bekam von dem Techno-DJ Tanith dieses Prädikat auch noch verliehen, nachdem er 2015 zum Georg-Büchner-Preisträger gekürt worden war: „Das freut mich insbesondere deswegen, weil es einer von uns ist“, schrieb Tanith in seinem Blog, „ein altes Feierschwein aus dem Techno der ersten Generation.“ Ein Feierschwein, für das der Beat damals die „Heilsbotschaft“ werden sollte.

Tagelange Durchfeiern war Normalität geworden

Goetz versuchte zu verstehen, wie „das Große des Glückseffekts“ funktionierte und setzte mit seiner Erzählung „Rave“ dem Techno, den Beats und den Feierschweinen ein literarisches Denkmal. Was sich so las: „Und der große Bumbum sagte: eins eins eins – und eins und eins und – eins eins eins – und – geil geil geil geil...“ Oder so: „Wir hüpften bisschen voreinander rum, Herzlichkeit entstand, gemeinsames Erleben des Erlebnisses der Freundschaft, und drifteten dann wieder fröhlich auseinander.“

Ja, so war das. Mit den Feierschweinen hatte es sich bald wieder. Gut ein Jahrzehnt danach war Techno zwar nicht tot, aber über die Maßen fragmentiert, und die Love Parade sowieso am Ende. Das Feiern nahm zwar keine neuen Formen an, aber das tagelange Durchfeiern war Normalität geworden.

Feierschwein galt nicht mehr als Prädikat, das waren sowieso alle. Bis dann noch einmal im Jahr 2010 ein holländischer Fußballtrainer in München den Begriff verfeinerte und bei einer Pressekonferenz nach einem Spiel den verblüfften Sportreportern erklärte: „Ich bin ein Feierbiest“. An Techno, davon kann man getrost ausgehen, hatte Louis van Gaal nicht gedacht, als er das sagte. Er hatte einfach aus dem niederländischen „beest“, was auf Deutsch Tier heißt, das deutsche Biest gemacht, weil er sich sowieso gern als solches sieht. Aber mit Louis van Gaal feiern? Hm. Gibt wohl doch bessere Partys.

Bisher erschienen: der Feiertag, der Feierabend, die Betriebsfeier und die Familienfeier.

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