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Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) und der Humboldt-Forum-Chef Hartmut Dorgerloh müssen sich auch mit der Fragen der Rückgabe von Kunstwerken beschäftigen.

© dpa

Koloniales Raubgut: Rückgabe ist nur ein Weg

Globalisierung bedeutet für Museen das Ende der Besitzstandswahrung. Es ist ihre Aufgabe, Sammlungen zu schützen und zu pflegen - und nicht unbedingt, sie wieder herzugeben. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Nicola Kuhn

Das Humboldt-Forum ist einen Riesenschritt vorangekommen. Endlich hat es einen Generalintendanten, Anfang Juni nimmt er seine Arbeit auf. Hartmut Dorgerloh, bisher Chef der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten, sieht sich jetzt vor allem mit einer Frage konfrontiert: Wie hält er es mit Ausstellungsstücken aus kolonialem Kontext? Von so manchem der 500 000 Objekte des Ethnologischen Museums, das sich ab Herbst 2019 im Humboldt-Forum präsentiert, tropft Blut, wie es die französische Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy drastisch formulierte. Auch der Handel mit ihnen dürfte selten zu fairen Bedingungen abgelaufen sein.

Das Thema Postkolonialismus überwölbt das Humboldt-Forum, obwohl das Schloss sehr viel mehr ist. Auch das Museum für Asiatische Kunst, die Humboldt-Universität und das Stadtmuseum finden dort Platz. Aber die Öffentlichkeit ist sensibel geworden für Fairness, Diversität und politisch korrekten Umgang mit der Historie, vom Genderstern über Straßennamen bis zum Antirassismus. Von dieser neuen Aufmerksamkeit wird auch das Humboldt-Forum erfasst. Beim Richtfest 2015 protestierten nur einige wenige Demonstranten mit Schrumpfkopfattrappen gegen Raubgut in den Sammlungen. Heute wird die Debatte breiter geführt – und mit anderer Schärfe.

Bei der NS-Raubkunst sorgte die in München entdeckte Sammlung des Nazi-Kunsthändlers Gurlitt für einen Weckruf. Endlich wurde mehr Geld für die Erforschung der Herkunft bereitgestellt. Deutschland beging auch andere Verbrechen – der Völkermord an den Herero in Afrika wurde 2015 erstmals offiziell so genannt. Hier fungiert nun das Humboldt-Forum als Katalysator. Die Bundesregierung will sich mit ihrem bedeutendsten Kulturprojekt nicht blamieren. Es ist das Schaufenster der Kulturnation, im Zentrum der Hauptstadt.

Wo kommt etwas her? Wurde Unrecht verübt?

Seit dem Fall der Mauer werden Besitzverhältnisse neu betrachtet. Auch die Globalisierung trägt dazu bei, dass genauer gefragt wird. Wo kommt etwas her? Wurde Unrecht verübt? Die Jüngeren nehmen nicht mehr einfach hin, was in den Museen zur Schau gestellt wird. Und Frankreichs Präsident Macron machte mit seiner Ankündigung Furore, dass die Grande Nation nach Afrika zurückgeben wird, was dort gestohlen wurde.

In Deutschland reagieren die Museumsleute verhalten auf diesen Coup. Fürchten sie, dass sich ihre Häuser leeren könnten? Warum so defensiv? Eine faire Rückgabe ist unendlich kompliziert. An wen etwa wären die zweifellos geraubten Benin-Bronzen von den Staatlichen Museen zu restituieren? An den Nachfolgestaat des Königreichs, also Nigeria? An das westafrikanische Land Benin? An die Nachfahren des Königshauses, die heute in Paris leben? Sind die Herkunftsländer, wenn Despoten oder Warlords regieren, in der Lage, Kulturschätze sicher zu verwahren? Hat der Westen das Recht, so zu fragen? Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz hat am Tag nach Dorgerlohs Berufung erstmals Objekte zurückgegeben, an Vertreter der Chugach, eine indigene Gruppe in Alaska. Hölzerne Masken, eine Kinderwiege, geplünderte Grabbeigaben. Endlich.

„Wir sind nur Treuhänder“, sagt Humboldt-Intendant Dorgerloh. Globalisierung, das bedeutet für Museen das Ende der Besitzstandswahrung. Es ist ihre Aufgabe, Sammlungen zu schützen und zu pflegen – nicht unbedingt, sie wieder herzugeben. Gerade hat der Deutsche Museumsbund einen Leitfaden zu Objekten aus kolonialem Kontext vorgestellt. Restitution wird da eher kleingeschrieben, häufig seien die Herkunftsgesellschaften weniger am Original interessiert als am Digitalisat. Und an Beteiligung. Moderne Ethnologie setzt auf Kooperation, bis hin zum Austausch von Ausstellungen.

Der heutige Feiertag gilt dem Pfingstwunder, dem Wunder der polyglotten Verständigung. Der Dialog der Weltkulturen ist nicht umsonst zu haben. Provenienzforschung und Beteiligung bedeuten Arbeit, sie kosten viel Geld. Reden ist ein Anfang.

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