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Lautsprecher. Die Rapper Danger Dan (o.), Panik Panzer (l.) und Koljah.

© Katja Runge

Koljah von Antilopen Gang im Interview: „Wir wollten mal richtig austeilen“

Rapper Koljah von der Hip-Hop-Band Antilopen Gang über politischen Rap und die Lust an der Antithese. Ein Interview

Koljah, im Musikvideo der Antilopen Gang zum Stück „Wünsch dir nix“ gibt es eine Szene, in dem Ihr Kollege Panik Panzer vom Fahrrad aus einen E-Roller umtritt. Mittlerweile gibt es davon einen Zehn-Stunden-Loop bei YouTube – da haben Sie einen Nerv getroffen.
(lacht) Verrückt, ja! Der Videodreh lief sehr spontan, und diese Szene entstand aus dem Moment heraus. Irgendwo in Berlin stand so ein Ding herum, und wir hielten es für eine gute Idee, es einfach mal umzutreten. Dass wir damit so sehr den Nerv der Zeit treffen würden, hätten wir nicht gedacht. Aber so ist das oft bei uns: Wir machen irgendwas, und irgendwas passiert damit. Je nachdem, ob uns gefällt, was man da jetzt hineininterpretiert, kann es schon mal sein, dass wir so tun, als wäre es ganz bewusst geschehen.

„Wünsch dir nix“ ist so etwas wie eine zynische Fortsetzung des Songs „Wünsch dir was“ von den Toten Hosen. Was hat die Band dazu gesagt? Mussten sie einsehen, dass sie damals unrecht hatten?
Ich habe Campino den Song vorgespielt. Er fand ihn ziemlich lustig. Vor allem erzählte er mir aber, dass die Hosen mit „Wünsch dir was“ eigentlich etwas ganz anderes sagen wollten als man heute gemeinhin denkt. Das Lied war damals auf Helmut Kohls leere Versprechungen von den „blühenden Landschaften“ nach der Wende gemünzt. Ziemlich ironisch also, dass dieses Lied von den Leuten über die Jahre dann zu einer Art Mutmach-Song gemacht wurde. Wir gehen da etwas realistischer heran und liefern quasi die Antithese zum Mutmachen. Im Hosen-Song heißt es ja: „Es kommt die Zeit, in der das Wünschen wieder hilft“. Aber mit Verlaub, diese Zeit gab es noch nie!

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Die Antilopen Gang ist gern mal ein wenig provokant, auch mal beleidigend. Schießen Sie erst los und schauen dann, was zurückkommt?
Meistens machen wir einfach und schauen, was passiert. Bei „Abbruch, Abbruch“ hatten wir große Lust darauf, angriffslustiger zu sein als zuletzt. Deswegen bleiben wir auch nicht diffus und nennen in den Texten ganz konkret Namen. Wir hatten Spaß daran, auszuteilen und haben uns nichts verboten.

„Anarchie und Alltag“ war 2017 in Anlehnung an den Fehlfarben-Klassiker „Monarchie und Alltag“ ein heißer Aspirant auf den Albumtitel des Jahres. Wie sehen Sie Ihr letztes Album rückblickend?
Wir sehen das Album heute recht kritisch. Klar, es enthält einige wirklich gute Songs, aber ich finde, man hört der Platte an, dass wir uns relativ schnell mit dem zufriedengegeben haben, was wir hatten. Auch live spielen wir doppelt so viele Lieder von unserem Debüt „Aversion“ wie von „Anarchie und Alltag“. Aber natürlich muss man es auch so sehen: Es führte immerhin dazu, dass wir uns für „Abbruch, Abbruch“ bewusst so viel Zeit gelassen haben wie nie zuvor.

Damals erschien das Album mit einem Bonus-Werk, das einige Ihrer alten Stücke in schnoddrigen Punk-Versionen und mit Gastsängern wie Campino oder Bela B verwurstete. Hatten diese Neufassungen Auswirkungen auf „Abbruch, Abbruch“?
Musikalisch nicht. Doch man kann durchaus sagen, dass uns dieses Punk-Album, insbesondere hinsichtlich unserer Konzerte, mehr geprägt hat als uns das im Vorfeld klar war. Das Punk-Album war ein langgehegter Traum, aber eben auch ein Gag, ein Schnellschuss. Doch plötzlich hatten wir einige Songs als Punkrock-Versionen in unserer Setlist. Und diese Geister, die wir riefen, die werden wir wohl nicht mehr los. Aber das ist geil, denn das hat dem Ganzen noch eine ganz neue Facette hinzugefügt, die uns und auch dem Publikum riesigen Spaß macht.

Nach „Aversion“, „Abwasser“, „Anarchie und Alltag“ nun also „Abbruch, Abbruch“. Sie lieben die Alliteration. Wie ist der Albumtitel zu verstehen?
Wohl vor allem als eine gewisse Resignation. Wenn ein Einsatzleiter bei einem Banküberfall „Abbruch, Abbruch!“ in sein Funkgerät brüllt, dann ist das eben das Gegenteil von „Zugriff!“ und bedeutet selten etwas Gutes. Der Abbruch ist uns derzeit wohl näher als der Zugriff.

Vor fünf Jahren erschien das Stück „Beate Zschäpe hört U2“, schon damals ein Kommentar auf den wiedererstarkenden Rechtsextremismus in Deutschland. Heute hat sich die Lage sogar noch zugespitzt. Lässt einen das eher resignieren?
Ob wir als Künstler resignieren oder weitermachen, haben wir nie von der politischen Situation abhängig gemacht. Wir machen politische Lieder, wir sind politisch interessiert, doch es ist nicht Sinn und Zweck der Antilopen Gang, den politischen Verhältnissen einen Song entgegenzusetzen. Damals hatten wir das Bedürfnis, etwas zu diesen Entwicklungen zu sagen. Fünf Jahre später gibt es Attentate auf Politiker, Anschläge auf Synagogen. Wir wären froh, wenn wir nicht so prophetisch gewesen wären!

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Auf „Abbruch, Abbruch“ bekommen alle ihr Fett weg: Menschen in Beziehungen, Menschen, die aufs Land ziehen, die Musikindustrie und sogar Kiffer. Es wirkt als wollten Sie mit der Antilopen Gang die Antithese zur urbanen deutschen Musik sein.
Wenn es ein Thema gibt, auf das sich alle einigen können, werde ich nervös und will dann lieber etwas anderes machen. Die Antithese ist da schon eher eine ganz klassische Antilopen-Herangehensweise. Unser erster kleiner Hit war „Fick die Uni“, in dem wir über Studenten vom Leder gezogen haben. Es macht uns großen Spaß, Antithesen zu entwickeln.

Im Opener „2013“ verarbeiten Sie den Suizid Ihres Bandkollegen NMZS in eben jenem Jahr. Wie schwer ist Ihnen dieses Stück gefallen?
Es fiel uns unfassbar schwer, überhaupt erst mal an den Punkt zu kommen, solch ein Lied machen zu können. Jeder hatte massig Textfragmente über die Zeit, in der unser Freund und Bandkollege Jakob Wich starb. Es war ein sehr schwieriges Jahr für uns, an dem wir die ganze Zeit wohl noch zu nah dran waren. Bis jetzt. Auf einmal war das Gefühl da, dieses tragische Jahr aus unserer Sicht nachzuerzählen. Das war wichtig – und heilsam.

[„Abbruch, Abbruch“ erscheint am 24. 1. bei JKP/Warner. Konzert in der Columbiahalle am 29.2. um 20 Uhr.]

Björn Springorum

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