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Die Mezzosopranistin Magdalena Kožená singt Lieder von Brahms, Schostakowitsch, Mussorgsky und Bartók.

© Harald Hoffmann/DG

Kožená und Bronfman im Pierre-Boulez-Saal: Stürmischer Gedankenflug

Feine Zwischentöne: Die Mezzosopranistin Magdalena Kožená und der Pianist Yefim Bronfmann laden zu einem Liederabend in den Pierre-Boulez-Saal.

Yefim Bronfman ist kein Freund der erwartungsvollen Stille. Kaum hat er sich vor den Steinway gesetzt, legt er los. Ohne Attitüde, ohne große Inszenierung. Magdalena Kožená fängt seinen stürmischen Beginn auf, und beide eilen durch das erste Lied: Johannes Brahms’ „Meine Liebe ist grün“ rauscht am Zuhörer vorbei, wie die Landschaft bei einer Bahnfahrt. Doch dann kommt der Zug abrupt zum Stehen. Zärtlich und bedacht spielt Bronfman das nächste Lied an. Die lautmalerischen Rufe der „Nachtigall“ klingen durch den Pierre-Boulez-Saal. Kožená – ihre goldenen Schuhe glänzen mit den Rollen des Flügels um die Wette – singt dazu mit großartiger Feinfühligkeit. In Brahms Liedern über Liebe und Natur verdichten sich überschwängliche Hoffnung und die dazugehörige Einsamkeit. Die Mezzosopranistin spürt diesem Gefühl nach, mit feinen Zwischentönen und sicherer Höhe. Der Pianist bleibt die gesamte Zeit konzentriert und schüttelt ein Lied nach dem anderen aus dem Ärmel. Bei „Verzagen“ hockt er wie ein Fels vor dem Flügel, beschwört nüchtern klangliche Wogen und Stürme herauf. Dazu zeigt Kožená in „Das Mädchen spricht“ und „Vergebliches Ständchen“ eine naiv-freche Stimmfärbung und augenzwinkernde Koketterie.

Der deutschen Romantik stellen Yefim Bronfman und Magdalena Kožená Mussorgsky, Schostakowitsch und Bartók gegenüber. In Modest Mussorgskys „Kinderszenen“ lebt die Mezzosopranistin auf. Die Erfahrungswelten des kleinen Kindes macht sie mit anklagender, eifriger und ängstlicher Singstimme spürbar. Der Pianist bleibt mit der spannungsgeladenen Komposition nah an der Erzählung dran. Mit angezogenen Schultern ahmt er die lauernde Katze nach und begleitet die Geschichten des Kindes mit lebhafter Virtuosität.

In Dimitri Schostakowitschs „Satiren für Sopran und Klavier op. 109“ und Béla Bartóks „Dorfszenen Sz 78“ blitzt zwischen Bronfmans professioneller Selbstverständlichkeit auch ab und an sein spitzbübischer Humor hervor, wenn er mal ironisch kommentierend, mal düster und sarkastisch spielt. In Bartóks „Wiegenlied“ besingt Kožená zärtlich und sorgenvoll den Kummer der Mutter. Ihre Stimme fühlt sich dabei wie ein Seidentuch an, das einem um die Schultern gelegt wird. Man will es am liebsten mit nach Hause nehmen.

Alexandra Ketterer

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