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Angeklagt vor dem Kindergericht: Frau Salzmann (Evelyne Cannard).

© Jörg Metzner

Kliimawandel als Berliner Jugendtheater: Die Greta-Frage

"Wie könnt ihr es wagen?", wollte Greta Thunberg wissen. Das Stück „No Planet B“ im Berliner Musiktheater Atze macht aus ihrer Wut ein Gerichtsdrama.

„How dare you?“. Die Frage steht nach wie vor im Raum. Wie könnt ihr es wagen? Bislang hat kein Politiker die passende Entgegnung auf Greta Thunbergs Rede beim UN-Klimagipfel im vergangenen Jahr gefunden. Nur dass der Satz Geschichte schreiben wird, darin waren sich fast alle sofort einig. Klar, inzwischen ist Corona, weswegen Müllberge an Plastikgeschirr, Einwegmasken und Versandhandelkartons produziert werden müssen. Aber vielleicht kann man sich später mal wieder Gedanken darüber machen, ob unser Planet noch zu retten ist.

Die Zukunft beginnt jetzt

Oder, crazy Idee, man besinnt sich eines Besseren und sagt: Die Zukunft ist jetzt. So wie es die Produktion „No Planet B“ am Theater Atze vorschlägt. Die beginnt damit, dass drei Kinder und Jugendliche (Charlotte Clemens, Mik Steinbach und Jonathan Bamberg) den englischen Thunberg-Appell übersetzen – und davon ausgehend in die sehr greifbare Vision einer Welt eintauchen, in der die Klimakatastrophe längst bittere Realität ist. Die Greta-Frage lautet da entsprechend: „Wie konntet ihr es wagen?“. Verhandelt wird sie vor dem Internationalen Gerichtshof für Kinderrechte, wo das Mädchen und die Jungs als Schöffen über einen ziemlich aufsehenerregenden Prozess wachen.

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Angeklagt ist Lena Salzmann (Evelyne Cannard), die als eine Art Gabi Musterfrau ihren Lifestyle zu verteidigen versucht und wissen will: Wieso ausgerechnet ich? Sicher, als alleinerziehende Mutter hat sie die Kinder jeden Tag mit dem Auto zur Schule und zurück chauffiert. Sie hat sich auch mal den dreitätigen Shopping-Trip im Billigflieger nach Mailand gegönnt. Unnachgiebig fordert die Staatsanwältin (Esther Agricola) deshalb Gefängnis für die mittelalte Umweltsau.

Solaranlage zur Strafminderung

Ihr Verteidiger (Mathieu Pelletier) allerdings macht mildernde Umstände geltend: Hat Frau Salzmann nicht eine energieeffiziente Solaranlage auf dem Dach ihres Eigenheims? Und beweist der Blick in ihren Kühlschrank nicht, dass sie als Vegetarierin am Klima-Killer Nummer eins, der Massentierhaltung, keine Schuld trägt?

Urteilsfindung wird nachgespielt

Ein klarer Fall von: Wie würden Sie entscheiden? In der Regie von Yüksel Yolcu wird die Urteilsfindung ans Publikum zurückgespielt. Woraus sich keiner dieser lahmen Mitmach-Momente ergibt, wie man sie aus vielen Inszenierungen kennt. Sondern eine lebendige, kontroverse Debatte, die interessanterweise vor allem die Erwachsenen im Publikum an sich reißen. Aber natürlich sind in „No Planet B“ – geschrieben von Atze-Hausherr Thomas Sutter – auch die Kinder und Jugendlichen selbst in ihrem Öko-Bewusstsein adressiert. Wie viel Streaming muss sein? Muss die erst ein Mal getragene Hose wirklich schon in die Wäsche?

Starke Inszenierung

Am Ende einer der stärksten Atze-Inszenierungen der vergangenen Jahre sollen die Zuschauerinnen und Zuschauer über das Strafmaß für Frau Salzmann befinden. Ihr das Fliegen verbieten, lautet ein Vorschlag. Und ein Junge findet, sie dürfe sich keine neuen Klamotten mehr kaufen – es sei denn, die alten passen wirklich nicht mehr (wieder vom 5. bis 7., 11., 29. und 30. 11.).

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