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Patricia Kopatchinskaja und Kirill Petrenko bei den Berliner Philharmonikern

© Monika Ritterhaus

Kirill Petrenko und die Berliner Philharmoniker: Ja, wir wollen!

Die Vorfreude steigt: In ihrem letzten Konzert mit Kirill Petrenko vor seinem Amtsantritt wachsen die Berliner Philharmoniker über sich hinaus

Die Husterei zwischen den Sätzen von Tschaikowskys 5. Sinfonie sind ein Kompliment an die Interpreten – fast noch mehr als der kaum enden wollende Schlussjubel. Weil die Zuhörer damit anzeigen, dass sie den Berliner Philharmonikern und ihrem designierten Chefdirigenten Kirill Petrenko konzentriert zuhören, so lange die Musik läuft. Doch weil viele im restlos ausverkauften Saal so eine Fokussierung nicht mehr gewohnt sind, entsteht ein innerer Überdruck, der raus muss: eben durch Räuspern oder andere bellende Geräusche.

Petrenkos Interpretation ist aber auch atemberaubend. Zum tiefen Bühnenraum weitet sich der Klang der Philharmoniker. Ein imaginäres Ballett wird in dieser Ton-Halle aufgeführt, denn der russische Dirigent vermeidet in dem Werk seines Landsmannes alles Pathetische, alles Larmoyante. Dem Schicksalsmotiv, das die Partitur durchzieht, setzt er positive Energie entgegen, kraftvoll pulsierenden Lebensmut.

Das Finale ist ein Naturereignis

Vital statt fatal ist diese Fünfte. Und so detailreich gearbeitet, wie man das von Petrenko gewohnt ist. Raffiniert, wie der Dirigent den Anfang ganz neutral spielen lässt und so die Neugier darauf noch steigert, wie sich das altbekannte Stück wohl entwickeln wird. Aus den herrlichen Bläsersoli zu Beginn des Andante cantabile entfaltet sich ein Traum von erfüllter Liebe und erwiderter Leidenschaft, neckisch wirken die knarrenden Einwürfe der Hörner, die Petrenko in der Ballszene heraushebt, zum Naturereignis wird das rasant genommene Finale, kulminierend in blendendem Fortissimo.

Und die Philharmoniker spielen beseelt für ihren künftigen Chef, mit ihrem künftigen Chef. Er fordert sie aufs Äußerte, sie reagieren mit virtuoser Präzision, brillanter Konturschärfe, hingebungsvollen Kantilenen. Dieser Abend ist ein einziges kollektives „Ja, ich will“, fünfeinhalb Monate vor dem offiziellen Amtsantritt Kirill Petrenkos.

Dass er Herausforderungen auch im Programmatischen liebt, zeigt die Wahl von Schönbergs Violinkonzert vor der Pause. Mit Patricia Kopatchinskaja allerdings kann er eine Solistin aufbieten, die Zwölftonmusik mit absoluter Souveränität spielt, zärtlich geradezu, mit geschlossenen Augen und Mona-Lisa-Lächeln. Die dabei auch noch tanzt, wie immer barfuß natürlich, den Bogen über die Saiten springen lässt, als wär dies eine Paganini-Caprice, nur eben von allen Fesseln der traditionellen Tonalität befreit. Und tatsächlich: Bald schon kommt einem das Dissonante so selbstverständlich vor, dass alles melodisch Anmutende, was hier und da aufblitzt, nun als das Außergewöhnliche erscheint.

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