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City-Lights: It und Es

Frank Noack entdeckt Filme über Polen im Zweiten Weltkrieg

Die Anti-Nazi-Filme, die während des Zweiten Weltkriegs in Hollywood gedreht wurden, feierten die Tapferkeit der Briten und Franzosen, der Tschechen und der Norweger; einige spielten in Jugoslawien und in der Sowjetunion. Es gab sogar ein Dutzend Filme über gute Deutsche im Untergrund. Nur Polen war kein Thema. Die Bombardierung Warschaus, immerhin die Geburtsstadt des Produzenten Samuel Goldwyn, löste nicht die gleiche Betroffenheit aus wie die Einnahme von Paris. Hollywood reagierte umgehend auf die Massaker von Lidice – und ignorierte den Aufstand im Warschauer Ghetto.

Nun präsentiert das Zeughauskino eine Filmreihe zum 70. Jahrestag des Überfalls auf Polen. Sie enthält rund zwanzig Beiträge, die sich aus unterschiedlichen Perspektiven mit deutsch-polnischen Konflikten befassen. In dem Nazi-Hetzfilm Heimkehr (1941) träumt Paula Wessely als Auslandsdeutsche von dem Tag, an dem man einen Laden betreten kann, und „nicht dass da einer jiddisch redet oder polnisch, sondern deutsch“. Die Ereignisse vom 1. September 1939 bilden hier das Happy-End (26.7. mit Einführung). Die als Mitglied des kommunistischen Widerstands verfolgte Regisseurin Wanda Jakubowska verarbeitete in Die letzte Etappe (1948) ihre Erfahrungen in Auschwitz-Birkenau (24.7.).

Den Klassiker zum Warschauer Aufstand von 1944 lieferte Andrzej Wajda mit Kanal (1957), von dem in der DDR nur eine verstümmelte Fassung gezeigt werden konnte; immerhin warf er Fragen nach dem Nichteingreifen der Roten Armee auf (11.7.). Ein paar Jahrzehnte Abstand waren nötig, um die Grauzone zwischen Täter und Opfer zu erforschen, Versöhnung und Annäherung zu behandeln. Hierfür steht Krzysztof Zanussis Wege der Nacht (1979), in dem sich Mathieu Carrière als kultivierter NS-Offizier in die Tochter eines polnischen Gutsbesitzers verliebt, deren Ehemann im Widerstand aktiv ist (Sonntag, 5.7.). Nicht alle Beiträge der Reihe handeln direkt vom Zweiten Weltkrieg: Ein Kreuzritterepos gehört ebenso zum Programm wie Dokumentarfilme über das deutsch-polnische Grenzgebiet nach 1990.

Ein weiteres Jubiläum verdient Erwähnung: 80 Jahre Tonfilmrevolution. Die wird üblicherweise mit dem 1927 uraufgeführten Musical „The Jazz Singer“ datiert. Tatsächlich war 1929 das Jahr des Umbruchs. Um die Stummfilmstars, die plötzlich weg vom Fenster waren, haben sich Legenden gebildet; angeblich scheiterten sie an ihren schlechten Stimmen. Auf Clara Bow traf das nicht zu. Dieses Energiebündel, wahlweise It-Girl oder Jazz-Baby genannt, hatte aus rein privaten Gründen keine Kraft mehr weiterzumachen. Ihren Spitznamen verdankte sie dem Film It (1927), in dem sie als kleines Ladenmädchen den Chef erobert. Das fällt ihr nicht schwer, denn sie verfügt über das gewisse Etwas (am heutigen Donnerstag im Babylon Mitte, 18.30 Uhr). Dagegen bezieht sich der Titel von Ulrich Schamonis Es (1966) auf das Kind, das Sabine Sinjen erwartet, und von dem sie ihrem Freund nichts erzählt (kommenden Sonntag im Arsenal). Schamoni gelang ein trotz Abtreibungsproblematik ungewöhnlich witziges, flottes Frühwerk des Neuen Deutschen Films.

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