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Ewiger Cowboy. Willie Nelson in „Honeysuckle Rose“.

© Österreichisches Filmmuseum

Kino der Reagan-Ära: Streifzüge durch eine vergangene Kinolandschaft

Rehabilitation für ein Filmjahrzehnt mit schlechtem Ruf: Das Buch „The Real Eighties“ wirft einen vorurteilsfreien Blick auf das Kino der Reagan-Ära.

„The Last Great American Picture Show“ heißt ein Buch über New Hollywood, jene goldene Ära der US-Filmgeschichte, die mit „Bonnie und Clyde“ 1967 ihren Anfang nahm und in den späten 1970er Jahren endete, als sich, so die landläufige Interpretation, das Kino in den Dienst der Vermarktung stellte. Dass dieses Image der 70er als einer Zeit, in der Hollywood letztmals künstlerische Visionen frei von ökonomischen Zwängen ermöglichte, auf Kontrastfolien angewiesen ist, hat vor allem die folgende Dekade zu spüren bekommen: Die achtziger Jahre gelten als Ära einer Verfallsgeschichte von der Filmkunst zum Blockbuster.

Politische und ästhetische Entwicklungen scheinen in dieser Erzählung eng miteinander verknüpft: Reagan und die Yuppies, Spielberg und Schwarzenegger, Oberflächenreize und Homevideo, solche Klischees schieben sich, wie es Lukas Foerster und Nikolaus Perneczky im Vorwort des von ihnen herausgegebenen Sammelbands „The Real Eighties: ein Lexikon“ formulieren, „noch vor jede Wahrnehmung“ – und erschweren damit einen vorurteilsfreien Blick auf all das, was im Kino dieser Zeit eben auch möglich war. Ihr Buch will daher keine neue Interpretation der Filmgeschichte sein, sondern eine Expedition in bekannte und unerschlossene Gefilde eines Kinojahrzehnts.

Texte zu zeitgeschichtlichen Phänomenen

Entstanden auf Grundlage einer von den Herausgebern kuratierten Filmreihe, die 2013 auch im Berliner Arsenal zu sehen war, ist ihr „ Lexikon“ mit nur 47 Einträgen weniger ein Nachschlagewerk als selbst eine kuratorische Arbeit. Die alphabetische Ordnung der Artikel zu Filmen, Personen und Themen soll keine Vollständigkeit suggerieren, sondern lässt die einzelnen Texte freier und unbedarfter miteinander in Verbindung treten. Tatsächlich macht das Nebeneinander unterschiedlicher Textsorten den Reiz des Buchs aus. Präzise Analysen wechseln sich ab mit Lobeshymnen, Texte zu Filmen mit Biografien von Personen, die das Jahrzehnt geprägt haben – von Stars wie Mickey Rourke und Sylvester Stallone über unterschätzte Filmemacher wie Robert Mulligan oder gänzlich vergessene Figuren wie dem afro-amerikanischen B-Movie-Regisseur Jamaa Fanaka.

Grundiert werden diese Einträge von Texten zu zeitgeschichtlichen Phänomenen wie dem Einfluss der Country Music auf Hollywood oder dem VHS-Boom sowie zu Repräsentationen von Klassenverhältnissen und whiteness. Gerade diese breiter angelegten Essays stellen dabei sicher, dass die Kritik am Klischeebild des „Reagan-Cinema“ nicht bloß von einer unschuldigen Vorstellung des Kinos als zeitloser Kunst genährt wird und damit auf eine generelle Absage an politische Lesarten von Filmen hinausläuft. Vielmehr liefert das Buch den Beweis dafür, dass sich passionierte Liebe zum Kino und kritische Kontextualisierung nicht ausschließen müssen.

Kritik an der gegenwärtigen Filmlandschaft

Einige Texte, etwa Diedrich Diederichsens fiebriger Artikel zu Dennis Hoppers „Colors“ (1987) oder Hartmut Bitomskys ratlos-faszinierte Besprechung von Michael Ciminos einst von der Kritik verschmähtem „Heaven’s Gate“ (1980) sind Wiederabdrucke, das Gros der Texte jedoch eigens für den Band enstanden. Was die Beiträge eint, sind die Begeisterung für den Gegenstand und das überbordende Vermittlungsinteresse der AutorInnen. „The Real Eighties“ richtet sich gerade nicht nur an Fans, sondern will neugierig machen. Lukas Foerster beginnt den Eintrag zu Mark Griffiths’ „Hardbodies“ (1984), dem „Citizen Kane der Eighties-Sex-Comedy“, mit dem Satz: „Man muss das alles schon selbst gesehen haben, um es zu glauben.“ Das tut man nach der Lektüre sofort.

In erster Linie also ist „The Real Eighties“ eine Einladung zu Streifzügen durch eine vergangene Kinolandschaft – und eine Kritik der gegenwärtigen. Indem der Band nämlich auf den Fluss der Filmgeschichte nicht aus dem Gegenwartsdelta zurückblickt, sondern schillernde Nebenläufe überfliegt, macht er die Normierung des heutigen Hollywood-Bilderstroms umso deutlicher. Und wirft zumindest die Frage auf, ob nicht vielleicht das Kino der 1980er die eigentliche last great american picture show gewesen ist.

Lukas Foerster/Nikolaus Perneczky: The Real Eighties – Amerikanisches Kino der Achtzigerjahre: Ein Lexikon. Synema, Wien. 218 S., 22 Euro.

Till Kadritzke

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