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Regisseur Jafar Panahi (rechts) gewann für "Taxi Teheran" 2015 den Goldenen Bären. Trotz verhängter Haftstrafe und Berufsverbot dreht er weiter.

© picture alliance / dpa

Kino aus Iran: Zwischen Ruhm und Willkür

Bei allem Geschick im Umgang mit der Zensur: Iranische Filmemacher leben gefährlich.

Wie geht es Irans Filmemachern unter den Bedingungen der Zensur? Wie kompliziert die Sache ist, begreift man schnell, wenn man sich den Fall Jafar Panahi anschaut. 2010 wurde er zu sechs Jahren Gefängnis und einem 20-jährigen Berufs- und Reiseverbot belegt. Seitdem hat er drei Filme gedreht; für „Taxi Teheran“ gewann er 2015 den Goldenen Bären. Antreten musste er seine Haftstrafe bis heute nicht, obwohl das Urteil rechtskräftig ist. Seine Filme sind in Iran nicht zu sehen, aber den Goldenen Löwen, den er 2000 für „Der Kreis“ von Venedig nach Hause brachte, kann man im Filmmuseum in Teheran besichtigen. Stolz auf die internationalen Erfolge ist man irgendwie doch.

Auch Regisseur Mohammad Rasoulof, der mit Panahi zusammenarbeitete, war 2010 verhaftet und verurteilt worden, auch er sitzt bis heute nicht im Gefängnis, pendelt zwischen Teheran und Hamburg, dreht heimlich Filme. Sein Drama „Manuscripts Don’t Burn“ lief 2013 in Cannes. „Die Zensur“, sagte er 2015 der „taz“, „ist im Iran zu einer Kultur geworden. Dies führt zu einer regelrechten Persönlichkeitsspaltung. Man spielt in der Öffentlichkeit eine andere Rolle als im Privatleben.“

Auto-Filme sind in Iran fast ein eigenes Genre

Wie also umgehen mit der Willkür eines Regimes, in einem Land, in dem Kunst und Kultur immer wieder zwischen die Fronten von Hardlinern und Reformern gelangen? Kein Zufall jedenfalls, dass so viele Filme in Innenräumen spielen, auch die Werke von Oscar-Preisträger Asghar Farhadi („Nader und Simin“). Und, noch wichtiger, im Schutzraum eines Autos. Auto-Filme sind in Iran fast ein eigenes Genre, seit „Ten“ und „Der Geschmack der Kirsche“ von Regiemeister Abbas Kiarostami. Immer wieder laufen auf westlichen Festivals Underground- und Arthaus-Produktionen aus Teheran, die fast vollständig im Wageninneren spielen, ist es doch Freiraum, Transitraum und Sicherheitszone zugleich. Ein Gefährt mitten im öffentlichen Raum, das zur Intimsphäre taugt, in dem man zusammengepfercht hockt wie in einer Zelle, aber das Kopftuch auch mal gelockert werden kann.

Selbst zu Abbas Kiarostami, Irans berühmtestem und poetischstem Filmemacher, haben die Mullahs ein widersprüchliches Verhältnis. Seine weltweit gefeierten Werke wurden selten in Iran gezeigt. Als Kiarostami im Juli 2016 starb, wurde seine Beerdigung fast zum Staatsbegräbnis eines Nationalhelden. Tausende folgten dem Sarg, viele wollten tragen helfen, es gab T-Shirts und Plakate mit seinem Konterfei. „Ein erstes Willkommen, ein letztes Lebewohl“ war auf Postern zu lesen, in Anspielung auf Kiarostamis fehlende öffentliche Anerkennung in Iran.

Keywan Karimi sitzt wegen einer Doku über Gaffiti im Gefängnis

Bei allem Geschick beim Umgang mit der Zensur, sprich: mit behördlichen Dreh- und Aufführgenehmigungen: Iranische Filmemacher leben gefährlich. Der 31-jährige Keywan Karimi musste seine Ende 2015 verhängte Strafe jetzt antreten, ein Jahr Haft im berüchtigten Evin-Gefängnis. Der Grund: eine Doku über Graffiti. Karimis Spielfilmdebüt war dann noch im September auf dem Filmfest Venedig gelaufen, „Drum“, eine kafkaeske Parabel über den Willkürstaat. Ob Karimi jetzt auch die 223 Peitschenhiebe erhält, zu denen er verurteilt wurde? Laut Amnesty International wurden 2016 Hunderte Iraner ausgepeitscht, streikende Arbeiter, Homosexuelle, Journalisten.

Lesen Sie zur Literatur aus Iran den Artikel "Die Präsenz der Worte" von Bahareh Ebrahimi.

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