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Der britische Musiker Archy Marshall alias King Krule.

© Charlotte Patmore

King Krule live in Berlin: Stimme aus der Nacht

King Krule gab in der ausverkauften Columbiahalle ein faszinierendes Konzert mit seinem neuen Album „Man Alive!“.

Wie passend, dass King Krule an einem Sonntagabend in Berlin auftritt: Das Wochenende ist vorbei, die Partys sind zu Ende, die Läden geschlossen, und etwas unwillig und verkatert schaut man der Arbeitswoche in einem verhassten Job entgegen.

So in etwa ist häufig die Stimmung in der schwer definierbaren Musik des 25-jährigen Briten Archy Samuel Marshall, der seit seinem Debüt „6 Feet Beneath the Moon“ von 2013 als eines der spannendsten Talente gilt, die die Insel gegenwärtig zu bieten hat.

Schlaksig, blass und rothaarig

Wie ein Newcomer hat Marshall trotz seines jugendlichen Aussehens nie gewirkt, schon als Debütant wirkte er erstaunlich reif, ganz kaltschnäuzig setzte er sich ein „King“ in den Künstlernamen. An Selbstbewusstsein mangelt es ihm nicht, wie auch der Beginn des Konzerts in der ausverkauften Columbiahalle zeigt: Die fünfköpfige Band nimmt ihren Platz ein, lässt die Instrumente rumoren, unter Schlagzeugdonner schlendert Marshall auf die Bühne.

Eine etwas seltsame Allüre, denn auch wenn er der Kopf des Ganzen ist, wirkt der gebürtige Südlondoner absolut unprätentiös: Schlaksig, blass und rothaarig, sieht er aus wie ein Musterbeispiel der englischen Arbeiterklasse.

Zwischen Rock, Jazz und Post-Irgendwas

„Gute Nacht“, radebrecht Marshall auf Deutsch, bevor es losgeht. Eine angemessene Begrüßung, denn was nun folgt, ist wahrlich nicht der Soundtrack für einen sonnigen Frühlingstag. Das Schlagzeug scheppert, das Saxofon jault, die Gitarre schnarrt sich durch diverse Halbtonverschiebungen und Marshall rotzt seine Texte eher raus, als dass er sie singt. Jazz, Postpunk, Electro, Hip-Hop, Singer Songwriter, Post-Irgendwas – es ist all das und doch etwas anderes.

Einige Songs wie „Cellular“ vom neuen Album „Man Alive!“ gehen nach vorne wie kraftvoller Indierock, andere wie „(Don’t Let the Dragon) Draag On“ mäandern verloren durch die Dunkelheit, während sich hier und da ein paar verschleppte Swing-, Blues- und Bossa-Nova-Rhythmen einschleichen. Was macht der da eigentlich?

Geschichten über Einsamkeit, Abstürze, triste Supermärkte

In manchen Momenten hat man den Eindruck, dass die Musik an ihrem Eklektizismus scheitern müsse. Dass dies nicht passiert, ist letztlich Archy Marshalls schroffer Stimme zu verdanken, die alles zusammenhält: So hätte es vielleicht geklungen, wenn Van Morrison Punk gemacht hätte - oder Johnny Rotten Jazz. Mit breitem Cockney-Akzent rappt, brüllt, flüstert und kräht Marshall seine Geschichten über Einsamkeit, Alkoholabstürze, triste Supermärkte, deprimierende Großstädte und Telefonate mit der Ex-Freundin hinaus, greift sich an den Kopf, zerrt an seiner Gitarre, rudert mit den Armen.

Eine faszinierende Mischung aus Unnahbarkeit und Direktheit, die das Publikum in den Bann zieht. Erst zum Schluss darf man etwas nähertreten, als mit „Easy Easy“ King Krules größter Hit erklingt und alle mitsingen. Ein versöhnlicher Song zum Ausklang, mit dessen Refrain im Ohr man dem Montag einigermaßen lakonisch entgegensehen kann.

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