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Cooler Junge. Der 23-jährige King Krule, mit Hund.

© Frank Lebon / Beggars

King Krule im Astra: Himmelskind

Vielseitig: Der britische Musiker King Krule beglückt im Astra sowohl Jazzfans im Rentenalter als auch gut gekleidete Hipster.

Am Ende des Konzertes, also am Anfang der Zugabe, steht Archy Samuel Marshall dann ganz alleine auf der großen Bühne. Er jagt ein paar einzelne Gitarrentöne ins ausverkaufte Astra Kulturhaus, sie klingen so, als hätte jemand das Gatter eines Wildtiergeheges geöffnet, drehen ein paar Runden, um sich anschließend in einem abgelegenen Winkel der Halle zu verkriechen. Erst dann betritt die Band die Bühne und setzt in den Song ein, es handelt sich um „Out Getting Ribs“ vom 2013 erschienenen Debütalbum „6 Feet Beneath The Moon“.

Es ist ein schöner Moment, und auch ein wichtiger. Denn er zeigt, dass King Krule, dieser kleine Schlacks mit dem feuerroten Haarschopf, es alleine kann, nur mit seiner Gitarre und mit dieser Stimme, die so klingt, als habe jemand mit einem Schlagbohrer ein Loch in den Hals gebohrt und da zwei, drei Liter flüssiges Eisen eingefüllt. Früher waren diese Momente auf King-Krule-Konzerten etwas häufiger, mittlerweile treten sie zugunsten eines dynamischen und erstaunlich vielschichtigen Bandsounds zurück. Jazz is the teacher, DFA-Funk der preacher. Die Säulenheiligen dieses Sounds scheinen Gene Vincent, James Lavelle und Mark E. Smith zu sein. Aber auch andere Genres spielen eine Rolle, etwa Dub, Postrock und Drum’n’Bass. Zusammengehalten wird all das von einem enorm variablen Schlagzeuger, der die einzelnen Stücke regelrecht umkippen lassen kann und einem Saxofonisten, der immer wieder das Zusammenspiel mit den Gitarren sucht und mal recht konventionell Richtung AOR-Pop arbeitet, mal völlig frei dreht. Gerade die älteren Herrschaften im Publikum – es ist interessant zweigeteilt, Jazzfans im Rentenalter stehen neben hervorragend gekleideten Hipstern – goutieren diese Musikalität sehr.

Das Bedrückende seiner Texte veschwindet live

Und der König? Der scheint sich immer noch zu wundern, dass er da in dieser großen Halle steht. Ab und an schickt er ein verwundertes, halbironisch genuscheltes „Hallo“ in die Halle, die Anwesenden grüßen höflich zurück. Dann singt er wieder, gerne vom Himmel („Has This Hit?“, „Lonely Blue“), manchmal auch von der Liebe („Little Wild“). Es sind kleine Worte, eher Momentaufnahmen als Geschichten, und das Bedrückende, das sie auf Platte prägt, verschwindet live fast völlig.

King Krule ist 23 Jahre alt. Er hat bisher drei Alben veröffentlicht, zuletzt vor einigen Wochen das ganz hervorragende „The OOZ“. Die Vorstellung, dass wir ihm und seinem süßen Twang noch ein paar Dekaden lang zuhören können, treibt dem Rezensenten Freudentränen in die Augen.

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