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Ohne Titel. Eine undatierte Filzstiftzeitung von Josef Kramhöller (1968–2000).

© Kienzle Art Foundation

Kienzle Art Foundation: Parcours der Widerwilligen

Kontrapunkt im Kunstzirkus: Die Kienzle Art Foundation in Charlottenburg blickt mit einer Ausstellung kritisch auf den Kunstbetrieb.

Eine Künstlerin auf Streifzug durch Berlin: nächtliches Glühen eines Opel-Schildes. Bröckelnde Fassaden. Unfertige städtische Winkel. Passanten, Kinder. Verena Pfisterer bleibt auf Abstand mit der Kamera, wahrt Distanz zu den Protagonisten ihrer Fotografien. Wie auch zum Kunstbetrieb, dem sie, als diese Aufnahmen zwischen 1977 und 1996 entstanden, längst den Rücken gekehrt hatte. Ihre Arbeiten zeigte sie nur noch privat. Jetzt erblicken die Aufnahmen, sechs Jahre nach ihrem Tod, doch noch das Licht der Öffentlichkeit. Und zwar in der 24. Ausstellung der Kienzle Art Foundation, Titel „Die Verkörperung von Öffentlichkeit“. Pfisterers Fotografien sind darin als eine Serie von Dias zu sehen, 80 stimmungsvolle Aufnahmen, nur in Ansätzen komponiert.

Die Schau versammelt die Widerwilligen, diejenigen, die das Spiel des Kunstbetriebs nicht mitspielen wollen – neben Pfisterer auch Josef Kramhöller, Ketty La Rocca, Penelope Georgiou, Fareed Armaly und David Lamelas. Interessanterweise „versteckt“ sie die prestigeträchtigen Arbeiten des argentinischen Konzeptkünstlers Lamelas in den hinteren Räumen: zwei Gemälde, zwei Zeichnungen und den Kurzfilm „Relationship between Inner and Outer Space“.

Begrifflichkeiten sollen überdacht werden

Unweit des Eingangs platziert sind hingegen sechs Werke von Josef Kramhöller, darunter auch drei Bleistiftzeichnungen, mit denen er sich Clara Schumann gewidmet hat. Sein Strich ist skizzenhaft, tastend. Über die drei Arbeiten hinweg konkretisiert sich das Gesicht Schumanns, das vielen vom früheren Hundertmarkschein bekannt sein dürfte. Angesichts dieser Vorlage entbehrt der suchende Gestus Kramhöllers nicht der Selbstironie – der Künstler war stets in Geldnöten. Zugleich ist die Unmittelbarkeit seiner Werke auch Ausdruck eines Ringens mit sich selbst. Im Alter von 31 Jahren nahm sich Kramhöller das Leben.

Die Ausstellung bringt verschiedenartige Werke zusammen: Zeichnung, Collage, Fotografie, Skulptur, Film. Arbeiten, die den Besucher nicht gerade umarmen. Das sollen sie auch gar nicht. Julia Eichler hat die Schau mit Fabian Ginsberg kuratiert. Beide sind Mitte 30 und ihrerseits Künstler. Eines war klar: Einfach „schöne Bilder“ zeigen reicht nicht. „Wir wollten etwas erzählen, das uns betrifft“, so Eichler. Als Künstler sei es ihnen ein Anliegen, selbst bestimmen zu können, was sie unter Kunst verstehen. Das vermittelt auch ein anspruchsvoller Begleittext. Alles signalisiert: Hier sollen Begrifflichkeiten überdacht werden, einfache Antworten gibt es nicht. „Wir zeigen nur, wer wann und wie mit dem Thema Öffentlichkeit umgegangen ist“, erläutert Eichler.

Frustration und Begeisterung

Jochen Kienzle, dem Sammler, aus dessen Bestand ein Großteil der Arbeiten stammt, ist dieser Ansatz sehr recht: „Mir ist es wichtig, Kontrapunkt im Kunstzirkus zu sein.“, sagt er. Schließlich werde Kunst immer stärker von der wirtschaftlichen Seite gedacht. Sein Verständnis sei ein anderes: „Sie spiegelt unsere Zeit, und wir müssen uns mit ihr beschäftigen, über sie diskutieren.“ Seine Sammlung führt Gegenentwürfe und abwegige Ansätze aus 60 Jahren zusammen.

Aus dem Handel mit den Werken hat er sich verabschiedet und sie stattdessen in eine Stiftung überführt, die Kienzle Art Foundation. Finanzielle Unterstützung bekommt er nicht. „Da buttere ich viel aus meinem Privatvermögen zu“, erklärt der Sammler. Man spürt seine Frustration, aber auch die Begeisterung, die Kunst nach wie vor in ihm auslöst. „Ich bin froh, dass ich kleinere Sachen mache“, sagt er. „Darin bin ich frei.“ So spiegelt sich in seinem Ansatz derselbe Widerwille gegen den Mainstream, der auch der Kunst innewohnt, die er der Öffentlichkeit zugänglich macht. Sie fordert heraus – das ist auch in der 24. Ausstellung der Stiftung nicht anders.

bis 30.4., Kienzle Art Foundation, Bleibtreustr. 54; Do/ Fr 14 – 19 Uhr, Sa 11 – 16 Uhr.

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