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Riesenbaby. Der Filmemacher Hasan (Hasan Majuni) will mehr Aufmerksamkeit.

©  Berlinale

„Khook“ im Berlinale-Wettbewerb: Schrille Satire über einen iranischen Filmemacher

Berufsziel Märtyrer: Der iranische Regisseur Mani Haghighi und seine Satire „Khook“ über einen wehleidigen Filmemacher im Berlinale-Wettbewerb.

Ein böser Witz: Der Filmemacher Hasan (Hasan Majuni) ist sauer, weil im Iran ein Serienmörder umgeht, der alle berühmten Filmemacher enthauptet und „Khook“, Schwein, in die Stirn seiner Opfer ritzt. Wieso trifft es ihn nicht? Du bist der Größte, sagt Hasans Mutter zum Trost, deshalb kommst du zuletzt dran.

Hasan ist ein Jammerlappen, ein Riesenbaby, er hat Berufsverbot, dreht Werbespots für Pestizide, mit 300 als Kakerlaken verkleideten Statisten oder rotgewandeten Tänzerinnen, die ekligen Glibber ausspucken, er hasst den Job. Als dann auch noch der berühmte Mani Haghighi geköpft wird und sogar Hasans Lieblingsschauspielerin, die schöne Shiva (Leila Hatami), muss er sich etwas einfallen lassen. Auch seine Mutter hat einen Plan.

Wie ist das, Seinesgleichen zum Kinostoff zu machen und die eigene Beerdigung zu inszenieren? Mani Haghighi sitzt in der Golden Bear Lounge im Hyatt Hotel, in wenigen Stunden feiert sein siebter Spielfilm „Khook“ Weltpremiere, eine wild-verrückte Abrechnung mit dem Selbstmitleid, der Panik der Künstler unter unfreien Bedingungen und der in Zeiten von Social Media massiv gesteigerten Fanhysterie – Haghighi nennt es Cyber- Lynching. Man kann den Autorenfilmer nur als fröhlichen Menschen bezeichnen. Genealogie einer Idee? Er lacht, er wollte so einen Film schon immer mal machen, seit er sich als Kind auf dem Set seiner filmschaffenden Eltern und des Großvaters herumtrieb. Die Neurosen der Filmleute kennt er nicht nur von sich selbst. Auch die Folgen von Facebook sind ihm vertraut – soziale Netzwerke werden im Iran zwar blockiert, aber viele wissen, wie man die Blockaden umgeht.

Der Märytrer hat im Iran einen hohen Status

Den eigenen Tod hat sich Haghighi auch deshalb ins Drehbuch geschrieben, damit er mit der Pointe auf seine Kosten Carte Blanche hat, sich auch über die anderen lustig machen zu dürfen. Im Iran hat der Märtyrer seit je einen hohen Status, sagt der 48-Jährige. „Wer über seine Probleme redet, stellt sich gerne als Opfer dar. Schau, wie schlecht ich behandelt werde: Mit dieser Strategie wirbt man um Sympathie. Ich hasse es, wenn Leute dieses Register ziehen. Sie machen sich schwach, um die Starken zu kritisieren. Ich ziehe es vor, im Kampf mit Unterdrückung, mit der Zensur und den Behörden gewinnen zu wollen.“

Rührt daher der Grundton der Groteske? Tragischen Phänomenen wie der Willkür der Macht oder der oft nicht lustigen Bedrängnis durch stalkende Fans nähert sich Haghighi mit ironischer Distanz. Es liegt in seinem Naturell, wie auch seine anderen bereits auf der Berlinale gezeigten Filme belegen, die philosophische Farce „Men at Work“, die Sozialkomödie „Modest Reception“ oder die surreale Parabel „A Dragon Arrives!“ im Wettbewerb 2016. In Haghighis Witz steckt immer der Wahnwitz. „Khook“ verharmlost weder die Paranoia noch das Regime, das sie verursacht: So unvermittelt, wie Hasan als Mordverdächtiger weggesperrt wird, kommt er auch wieder frei. Der Kommissar – oder Geheimdienstchef? – begegnet ihm ausgesucht höflich.

Das Team von "Khook": Mani Haghighi (Zweiter von rechts) mit Leili Rashidi, Ali Mosaffa und Leila Hatami.
Das Team von "Khook": Mani Haghighi (Zweiter von rechts) mit Leili Rashidi, Ali Mosaffa und Leila Hatami.

© REUTERS/Hannibal Hanschke

Haghighi spricht perfekt Englisch, er hat in Kanada studiert, wir brauchen keinen Farsi-Dolmetscher. Er lebt in Teheran, pendelt nicht wie andere Künstler. Trotzdem gibt er freimütig Auskunft über die Arbeitsbedingungen in einem Land, das Regisseure inhaftiert und schikaniert, Kollegen wie Jafar Panahi oder Mohammad Rasoulof, die zu Gefängnisstrafen verurteilt und mit Berufs- und Reiseverbot belegt werden, aber trotz alledem drehen und ihre Filme auf Festivals zeigen können.

Es ist schrecklich, sagt Haghighi jetzt ganz ohne Ironie. Die Willkür kann zerstörerisch sein. „Was erlaubt ist, ändert sich wie das Wetter. Die politische Stimmung im Land entscheidet darüber, was geht und was nicht. Weil eine Filmproduktion oft länger dauert als ein Jahr, muss sie diesen Stimmungsschwankungen ständig angepasst werden.“ Ob es sich nun um Proteste gegen soziale Missstände wie im Januar handelt oder um die aktuell wieder angespannte Lage zwischen Israel und Iran.

Manipulative, dominante Frauen retten Hasan

Noch einmal, all das ist kein Grund für Wehleidigkeit „Es ist ein Spiel“, erklärt der Regisseur, „wie Schach. Du denkst dir Strategien aus, nimmst die Züge des Gegenspielers vorweg, kannst verhandeln, drohen, tricksen. Jedenfalls solange sie dich nicht ins Gefängnis werfen.“ Macht verleiht einem dabei auch die Tatsache, dass die Autoritäten im Iran nie als Unterdrücker dastehen und ihr Gesicht wahren wollen.

Die westliche Wahrnehmung einer Dauerfehde zwischen Reformkräften und Fundamentalisten kann Haghighi nicht teilen: Seit 2003 dreht er Filme, mal waren die Liberalen, mal die Konservativen an der Macht, es machte keinen Unterschied. „Nur die Art der Unterdrückung ist anders.“

Am Ende sind es die Frauen, die Hasan retten, manipulative, dominante Frauen. Der Iran und seine starken Frauen, auch das ein Stereotyp? Haghighi grinst, es sei so richtig und falsch wie das Stereotyp von der deutschen Pünktlichkeit. Seine Kostümbildnerin ist mit dem Zug aus München gekommen und musste ab Leipzig einen Mietwagen nehmen. So richtig und falsch wie auch das von Abbas Kiaroastami geprägte Image des iranischen Kinos, das angeblich „nur“ aus meisterlich schlichten Allegorien besteht.

Mani Haghighi schlägt andere, schrillere Töne an. Zur Party des Weltvertriebs von „Khook“ werden Schweinsnasen und rotblinkende Teufelshörner verteilt.

22.2., 13.30 Uhr (Friedrichstadtpalast), 18.30 Uhr (HdBF), 22.30 Uhr (International); 25.2., 20 Uhr (Friedrichstadtpalast). Lesen Sie hier das vollständige Interview mit Mani Haghighi.

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