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Palästinensischer Sicherheitsmann an der Grenze zu Ägypten am Gaza-Streifen.

© dpa/Zuma Press/Ashraf Amra

„Keine Luft zum Atmen“ von Asmaa al-Atawna: Ein großes Gefängnis namens Palästina

Asmaa al-Atawna erzählt in ihrem Debütroman „Keine Luft zum Atmen“ vom Leben in einem besetzten Land – und der enttäuschenden Flucht nach Europa.

Asmaa, Tochter einer Beduinenfamilie aus einem Flüchtlingslager in Gaza, hat es geschafft. „Ich würde den Schlüssel zu einem privaten Raum haben, wo niemand mich störte. Es würde ein sauberer, ruhiger und sicherer Raum sein, weit weg vom Krieg und von der Flucht und weit weg von den verstohlenen Blicken der Leute aus dem Schwarzen Viertel.“ Nach ihrem Aufbegehren gegen patriarchalische Strukturen in ihrer Familie und einer abenteuerlichen Flucht ist es der jungen palästinensischen Studentin gelungen, in einem Frauenhaus in Toulouse ein eigenes Zimmer zu bekommen. Ein Stück Freiheit, für das sie so lange gekämpft und vieles hinter sich gelassen hat.

„Keine Luft zum Atmen. Mein Weg in die Freiheit“ ist der interessante Debüt-Roman der palästinensischen Autorin Asmaa al-Atawna, die einen ähnlichen familiären Hintergrund wie ihre gleichnamige Protagonistin hat und heute in Frankreich lebt. Al-Atawna erzählt im ersten Teil des Romans schonungslos aus der Perspektive der jungen Frau die Geschichte einer Befreiung, die allerdings mit der Flucht nach Europa noch kein wirklich gutes Ende findet.

Im zweiten Teil nähert sie sich in eingeschobenen Rückblenden der Geschichte ihrer Familie, ihrer Kindheit und den beengten Verhältnissen in Gaza. „Ich lebte in einem großen Gefängnis, zu dem einzig die Soldaten der Besatzungsarmee die Schlüssel in der Hand hielten. Sie allein entschieden, an welchen Tagen das Gefängnis geöffnet oder geschlossen war…“, erzählt Asmaa.

[Asma al-Atawna: Keine Luft zum Atmen. Mein Weg in die Freiheit. Aus dem Arabischen von Joel László. Lenos Verlag, Basel 2021. 172 Seiten, 16 €.]

Aber es ist nicht nur die Besatzungsmacht, die ihr zusetzt, es sind auch die archaischen Strukturen und die Gewalt in ihrer Familie und dem „Schwarzen Viertel“ in Gaza, wo die Abid, die Nachfahren dunkelhäutiger Sklaven leben. Asmaa leidet unter der Gewalt des Vaters, der lieber einen Sohn statt einer vierten Tochter bekommen hätte, und unter den Launen der Mutter, die sich für ihre aufmüpfige Tochter schämt. Das Mädchen passt nicht zum traditionellen Frauenbild der Eltern. Al-Atawna erzählt in ihrem Roman die Geschichte einer Emanzipation der jungen Frau aus unterschiedlichen Abhängigkeiten. Nach ihrer Flucht aus Gaza nach Europa mit Hilfe ihres zum Islam konvertierten Spanischlehrers bemerkt sie rasch, dass sie von einer Abhängigkeit in die nächste geraten ist, dass Männer ihr Leben bestimmen wollen.

Die Vorurteile der Europäer

Auch in der neuen Heimat Frankreich erfährt sie, dass sie sich behaupten und vor Vereinnahmung schützen muss. Sie lernt die Sprache, will dazugehören – und entlarvt die Erwartungen der Linken, die in ihr nur die heroische Palästinenserin sehen wollen, nicht aber die selbstbestimmte Frau.

Al-Atawna beschreibt die archaischen Strukturen ihrer Heimat, aber auch die Demütigungen durch die Besatzungsarmee und die Widersprüchlichkeit der Europäer. Asmaas Kampf um ihre individuelle Freiheit gibt erstaunliche Einblicke in eine uns fremde Welt und weist dabei auf die Europäer, die nur sehen, was sie sehen wollen.

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