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Widerstand durch Lärm. Friends of Gas mit Sängerin Nina Walser (rechts).

©  Fabian Berger

„Kein Wetter“ von Friends of Gas: Ein Wind, ein Waldbrand

„Kein Wetter“: Die Münchner Rockband Friends of Gas vertont auf ihrem neuen Album das Unbehagen an einem Weiterso.

Als vor vier Jahren das Debüt von Friends of Gas erschien, da waren viele voll des Lobes ob der kompromisslosen Verbindung von Noise- und Krautrock. Das von Nerven-Sänger Max Rieger in wenigen Tagen aufgenommene „Fatal schwach“ passte gut zu der sich gerade aufbäumenden Post-Punk-Welle, die von Stuttgart aus (Die Nerven und Karies) über Münster (Messer) und Hamburg (Trümmer) bis Berlin (Gewalt) schwappte und die alte Tugend des widerspenstigen Gitarrenlärms wieder mal ziemlich frisch aussehen ließ.

Bis dahin hatte kaum jemand von der fünfköpfigen Band aus München gehört, die sich mit Friends of Gas einen für Deutschland nicht unproblematischen Namen gegeben hatte. Sie war ursprünglich das Projekt von Sängerin Nina Walser und Gitarrist Thomas Westner gewesen, die sich wechselnde Begleiter dazuholten, bis sich daraus eine feste Formation mit Gitarristin Veronica Burnuthian, Bassist Martin Tager und Schlagzeuger Erol Dizdar ergab. Wenn sie heute als eine der interessantesten deutschsprachigen Rockbands bezeichnet wird, dann weil sie einen Nerv trifft.

„Fatal schwach“ formulierte ein Konzept des Unartigseins, das sich wegen seiner repetitiven Freudlosigkeit auch für die Akteure selbst schnell als zu trist hätte herausstellen können. Wie ernst sie es wirklich meinen mit ihrem forcierten Schmerz, und es gibt ja genügend Gründe, das Leben in diesem Land schwer erträglich und eine musikalische Antwort darauf zu finden, würde sich erst mit der zweiten Platte zeigen.

Die ist sogar noch freudloser, härter, unerträglicher geworden. Besser produziert als das in einem alternativen Rockklub live ohne Publikum aufgenommene Vorgängeralbum zehrt „Kein Wetter“ von den vielen Konzerten, die Friends of Gas seit 2016 gespielt haben.

Man hört Gitarren im Gravitationssog der Monotonie, die raue Stimme einer Sängerin, die zu ersticken droht an der unmöglichen Wahl zwischen „Kapital oder kapitulieren“ und nirgends das versöhnliche Licht einer Melodie. Nina Walsers Hang, poetische Fragmente in den Raum zu stellen, einzelne Worte bis zum Erbrechen zu wiederholen und zu zermahlen, bis deren Bedeutung ins Gegenteil kippt, erzeugt eine eigene, fesselnde Dynamik.

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In einem der stärksten Stücke sieht sie sich „am Boden liegen“ und an die Decke starren, und zwar im Bad ihrer Eltern. Sie spüre „die Kälte der Fliesen am Rücken“, sagt sie wie mit letzter Kraft. Sie liegt dort lange, und das ist ein so niederschmetterndes Bild des Verlassenseins, dass auch die Musik nicht einfach darüber hinweggeht.

[Friends of Gas: „Kein Wetter“ erscheint bei Staatsakt/Zebralution/Bertus]

Die Band hält quasi inne, sodass man der jungen Frau in der Stille des Bades beim Nachdenken zuhören kann, bis ihr der Heizkörper in den Sinn kommt und sie krächzt: „Wir regulieren die Temperatur, bringen Ordnung ins System, heiß, kalt ... angenehm, geruhsam, lauwarm.“

Wer sich nicht verstecken kann, ist wehrlos

Über lauwarm ärgert sie sich noch mehr als über die Kälte. Die war wenigstens echt. Es sind solche erzählerischen Momente, die weit über den Widerstand-durch-Lärm-Gestus hinausgehen. Hier arbeitet sich eine an Grunge, Krautrock und den Strokes geschulte Truppe an der Tatsache ab, dass man nur gegen das System sein kann, so lange man – einer Terrorgruppe ähnlich – unsichtbar bleibt. Also selbst auch kein Ego hat.

In einem „Deutschlandfunk“-Interview erklärt Nina Walser: „Wenn man sich nicht mehr verstecken kann, ist man eigentlich wehrlos. Und man kann sich heute nicht mehr verstecken, weil es keine Orte mehr gibt, die nicht ausgeleuchtet sind. Und jeder Widerstand wird auch sofort als Feedback ins System eingespeist und verliert dadurch die Kraft.“ Dieser Erkenntnis dürfte es geschuldet sein, dass die Band bis heute wenig bis nichts von sich auf Spotify oder anderen Kanälen preisgibt.

Daseinszweifel bis zur Depression

Die Furcht vor Entdeckung findet sich auch in „Stechpalmenwald“ wieder, einem düster rollenden Song darüber, wie große Gefühle von den Traumfabriken „Bollyhollywoods“ geplündert werden. „Je größer das Monster, desto schlimmer die Zensur“, heißt es. Ein Gedanke, der in „Schrumpfen“ aufgegriffen und mit der Frage zugespitzt wird: „Wer will das wir am Leben schrumpfen?“

So wird die Musik von Friends of Gas grundiert von einem Daseinszweifel, den man Depression nennen kann. Er reicht jedenfalls tiefer in die Seele als ein verletzter Gerechtigkeitssinn. „Wir sind selber keine“, brüllt Walser zehn Minuten lang in allen möglichen Abstufungen der Empörung, um einen Satz unmöglich zu machen, auf den sich alle Missverstandenen dieser Welt derzeit berufen. Es greift zu kurz, hier bloß Wut am Werk zu sehen. „Kein Wetter“, das bedeutet eben auch, dass man mehr tun kann, als auf eine Besserung der Wetterlage zu warten.

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