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Katy Perry bei der Prismatic World-Show.

© dpa

Katy Perry live in Berlin: Die Feuerwerkerin

Katzen, Knaller und Kirmesbeats: Katy Perry und ihr buntes Popspektakel in der Berliner O2 World.

Der Diktator hat einen Heulkrampf – live im Fernsehen. Auslöser der Peinlichkeit ist ein amerikanischer Talkshow-Master, der ihm Katy Perrys „Fireworks“ vorsingt und einfach nicht aufhören will. In dieser wunderbar bescheuerten Szene gipfelt der Katy-Perry-Running-Gag der Skandalklamotte „The Interview“ um ein Mordkomplott gegen Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un. Und so sehr James Franco und Co. das Megakitschbombenlied auch veralbern – letztlich wird es dadurch geadelt und gefeiert.

Katy Perry hat sicher herzlich gelacht über den Film. Nicht nur, weil er ein weiterer Beweis ihres derzeitigen Karrierehochs ist, sondern vor allem, weil sie es selber gerne albern mag. Viele ihrer Videos sind knallbunte Quatsch-Clips, und auch bei den Shows ihrer derzeitigen Prismatic World Tour geht es vor allem um kurzweiligen Spaß. Das Ganze ist absolut jugendfrei. Die vielen Eltern von Mädchen und Teenagerinnen in der nicht ganz ausverkauften Großarena am Berliner Ostbahnhof müssen sich keine Sorgen machen, dass es mal obszön oder irgendwie finster werden könnte. Wir sind hier schließlich nicht bei Rihanna.

Zum Start um Punkt neun Uhr kommt Katy Perry mit zehn Tänzerinnen und Tänzern auf die Bühne, die wie futuristische Dschungelkrieger gekleidet sind. Sie tragen Helme mit leuchtenden Kämmen und hantieren mit riesigen Speeren. Das passt prima zur knalligen Auftaktnummer „Roar“, in der Perry in Wildtiermetaphern ihre Durchsetzungsfähigkeit preist. Eine Band ist noch nicht zu sehen – die Musik wird von der Festplatte eingespielt. Genau so kennt man den euphorisch bollernden Hochglanz-Pop ja auch. Er bietet in seiner treibenden, mit Hooks gespickten Art die perfekte Beschallung für Autoscooter und Fitnessstudios. Sein sportives Potenzial demonstrieren die Sängerin und ein Tänzertrupp auch gleich mal mit einer kleinen Seilspring-Einlage sowie einer Joggingrunde auf dem Laufband, das in den weit in die Halle ragenden Catwalk eingebaut ist.

Der zweite Showteil spielt in einem Fanatsie-Ägypten

Zum Tanzen animiert das seltsamerweise kaum jemanden im Publikum – es ist offenbar mit Staunen (und Filmen) beschäftigt. Denn die Show tritt nun in ihre ägyptische Phase ein, zu der Katy Perry vor eingeblendeten Pyramiden auf einem Pferd hereinkommt. Es ist nicht das riesig elektrische Monster, mit dem sie kürzlich in der Halbzeitpause des Superbowl-Finales ins Stadion ritt, sondern wird von zwei Tänzern gespielt. Was aber immer noch eindrucksvoll genug wirkt. Der dazugehörige Song „Dark Horse“ von aktuellen Album „Prism“ gehört zu Perrys besseren, weil er in seiner Mischung aus Trap-, Pop und Hip-Hop-Elementen mal nicht geradewegs auf einen Monsterrefrain zusteuert, sondern eine kurvige Strategie der kleinen Höhepunkte verfolgt. Funktioniert live bestens, wie der Freudenschrei zeigt, der zu hören ist, als die Halle das schnelle Synthiemotiv erkennt.

Im Gespräch mit den Fans ist Katy Perry spontan und witzig

Die zweistündige Show besteht aus sechs thematischen Blöcken, was ihr einen leicht zirkushaften Touch verleiht. Vier Segmente hätten es sicher auch getan. Gut verzichten könnte man etwa auf den Katzenteil, der zwar mit einem hübsch überdrehten Cut-Out-Video beginnt, dann aber mit einer schlimm angejazzten Version von „Hot N Cold“ einen der Tiefpunkte des Abends produziert. Dass die Tänzer in ihren Ganzkörperkatzenkostümen dabei aussehen, als seien sie von einer Provinzproduktion des Musicals „Cats“ abgeworben worden, dürfte bei den meisten Konzertbesuchern allerdings keine negativen Assoziationen heraufbeschwören – sie sind zu jung, um das angestaubt finden zu können.

Was wohl auch für den Exkurs ins Neunziger-Euro-Dance-Metier gilt. Hits von Snap, Dr. Alban, Haddaway werden gemischt und sollen offenbar auf die Traditionslinie verweisen, in der Katy Perry ihren anschließenden Song „Walking On Air“ sieht. Das haut zwar nur so halb hin, ist aber nicht weiter wichtig. Schließlich schwebt sie jetzt unter einer stilisierten Wolke über den Köpfen der Menge.

Viel Zeit nimmt sich die Pastorentochter, die ihre Karriere einst mit christlichen Songs begann, im akustischen Teil. Die Ballade „By The Grace Of God“ singt sie nur von Klavier und zwei Sängerinnen begleitet. Schön, ihre Stimme mal so klar zu hören. Beeindruckend sind in diesem Block zudem die langen Dialogpassagen mit den Fans. Perry ist witzig, spontan und veralbert durch extra quietschiges Sprechen die eigene Popsternchenrolle. Dann holt sie einen Fan auf die Bühne, der genau wie sie aussieht. Es ist ein Crossdresser aus Dresden, der sich Jessica nennt und eine akkurate Kopie von Perrys tollem Leuchtsaum-Kostüm vom Showbeginn trägt. Die Sängerin ist sichtlich beeindruckt. Nett und ungezwungen plaudert die nicht eben als Queer-Ikone bekannte Perry mit Jessica, womit sie ganz nebenbei auch eine Toleranzbotschaft an ihre Fans sendet.

Zum großen Finale singt Katy Perry natürlich „Fireworks“. Ohne Band und Tänzer, dafür aber mit voller Stimmpower, jeder Menge Laserblitzen und Feuerfontänen. Grandioser Kitsch – man könnte glatt losheulen.

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