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Ken Jebsen als Redner.

© Imago

Karriere als Verschwörungsideologe: Eine Tragödie namens Ken Jebsen

Wie geriet Ken Jebsen ins Dickicht der Falschbehauptungen? Und glaubt er den gefährlichen Unsinn selbst? Ein neuer Podcast klärt auf.

In der Welt von Ken Jebsen schützen Masken nicht vor Corona, sondern sind bloß ein „Gehorsamsexperiment“. Bei den Terroranschlägen vom 11. September 2001, jedenfalls in deren offizieller Version, handelt es sich um die „dreisteste Lüge der Neuzeit“. Und die Mächtigen der USA werden – auch hier: in Jebsens Welt – von Menschen mit jüdischen Wurzeln gesteuert, deren Ziel die „Schaffung eines israelischen Großreichs“ sei.

Unter Verschwörungsideologen und Coronaverharmlosern gilt der ehemalige Radiomoderator Ken Jebsen als Superstar. Sein Auftritt bei „Querdenken“ im Mai 2020 in Stuttgart wurde in der Szene bejubelt, seit dem Frühjahr wird seine Plattform „Ken FM“ vom Verfassungsschutz beobachtet.

Wie sich Jebsen diesen Status erarbeitet hat und warum seine verbreiteten Falschinformationen gefährlich sind, seziert der sechsteilige Podcast „Cui Bono: WTF happened to Ken Jebsen?“, der diesen Sonntag bei Radio Eins und den großen Streaminganbietern startet.

Die Betonung liegt dabei auf WTF, also What the fuck? Denn viele von Jebsens Quatschtheorien klingen derart verstörend, dass sich die Frage aufdrängt, wie sich einer so arg ins Dickicht offensichtlich falscher Behauptungen verirren konnte. An welchen Punkten in seinem Leben ist Ken Jebsen falsch abgebogen – und hätte ihn jemand davor bewahren können?

Durchaus wohlwollend erzählt der Podcast zunächst die Anfänge Jebsens als Radiomoderator und zwischenzeitlich auch Fernsehreporter. Er zeichnet nach, wie der Mann, der so unfassbar schnell spricht, mit Originalität und Witz als Moderator des RBB-Jugendsenders Fritz bekannt wird. Wie er Mitte der 90er-Jahre den Sprung ins Fernsehen wagt, seine Sendung im ZDF jedoch wegen zu geringer Einschaltquoten bald wieder abgesetzt wird. Wie Jebsen später bei Pro Sieben einen neuen Anlauf unternimmt.

Aus dieser Zeit sind Videomitschnitte erhalten. In ihnen sieht man einen aufgedrehten Jebsen, der auf der Straße Passanten veralbert, sich als Weihnachtsmann verkleidet oder mit der Kreissäge einen Holzstuhl zerlegt. Ken Jebsen liebt damals Wortspiele. Zum Beispiel „Hosenöffner“ auf „Dosenöffner“. Oder: Was macht ein Gen so? Na, gähnen.

Ken Jebsen veralbert Senioren für Pro Sieben.
Ken Jebsen veralbert Senioren für Pro Sieben.

© Youtube

Die Macher des Podcasts haben eine Reihe alter Wegbegleiter interviewt. Diese berichten übereinstimmend von einem Wesenszug, der so gar nicht zum Verlauf von Jebsens Karriere passt, wie er ihn selber gerne darstellt. Denn nach eigener Auskunft wollte Jebsen niemals vor einem Mikrofon oder einer Kamera stehen, er sei immer nur „durch Zufall“ dort gelandet. Vors Mikrofon sei er zu Beginn gar „gezwungen“ worden.

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Wegbegleiter versichern dagegen, Jebsen habe vor allem berühmt werden wollen und dringend Beachtung gesucht. Er habe geglaubt, als Moderator besser zu sein als Thomas Gottschalk und Günther Jauch. Nach seinem gescheiterten Ausflug ins TV habe er unbedingt zurück vor die Kamera gewollt. Ein Ex-Kollege sagt, Jebsen sei „ganz und gar besessen“ vom Wunsch einer Showkarriere gewesen.

Auf Anfrage des Tagesspiegels, ob all dies zutrifft, antwortet Ken Jebsen nicht.

Ken Jebsen im Einsatz für Pro Sieben.
Ken Jebsen im Einsatz für Pro Sieben.

© Youtube

[Cui Bono: WTF happened to Ken Jebsen? startet am Sonntag um 20 Uhr mit einer Doppelfolge auf Radio Eins und zeitgleich u.a. auf Spotify, Apple-Podcasts und in der ARD-Mediathek.]

Was seine Karriere als Verschwörungsideologe enorm befeuerte, zeigt der Podcast ebenfalls: Ab 2012 stellte Youtube seinen Empfehlungs-Algorithmus um. Dadurch wurden Nutzern nun nicht mehr bevorzugt jene Videos angezeigt, die besonders häufig geklickt werden, sondern jene, die besonders lange angeschaut werden. Die Neuerung ist ein Segen für Verschwörungsideologen, deren ausschweifende Monologe und Schimpftiraden nun einem größeren Publikum vorgeschlagen werden.

Im Podcast kommen Experten wie Sascha Lobo, die Bestseller-Autorin Katharina Nocun und der Tagesspiegel-Reporter Julius Geiler zu Wort. Khesrau Behroz, Autor und Produzent der Reihe, sagt am Telefon, ihn selbst habe bei den Recherchen überrascht, wie frühzeitig Ken Jebsen verschwörungsideologische Inhalte verbreitet habe, nämlich bereits im Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk – und dass ihn niemand gestoppt habe: „Er ist wohl einige Zeit unter dem Radar geflogen“.

Zudem habe die Recherche belegt, dass Jebsen seine Entscheidungen bewusst getroffen habe. „Das Narrativ, er sei irgendwie ungewollt in diese ganzen Schwierigkeiten geraten, ist falsch.“

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