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Karina Canellakis, geboren 1981 in New York City.

© Mathias Bothor

Karina Canellakis dirigiert das DSO: Musik von späten Männern

Stahl und Entschiedenheit: Die amerikanische Dirigentin Karina Cannelakis gibt ihr Debüt am Pult des Deutschen Symphonie-Orchesters.

Dieser Abend steht unter der Überschrift „Spätwerk“, es gibt also Musik von späten Männern. Ob früh oder spät, Winter- oder Sommerzeit, das ist natürlich alles eine Frage der Sichtweise, Dvorák jedenfalls schrieb seine Symphonische Dichtung „Die Mittagshexe“ bereits mit Mitte fünfzig, starb aber schon einige Jahre später, Ligeti komponierte sein Violinkonzert mit knapp siebzig, erreichte indessen noch die dreiundachtzig.

Nur Bartóks Konzert für Orchester entstand tatsächlich in den letzten beiden Jahren seines Lebens, das er als Mittsechziger beschloss, immer noch nicht richtig alt, wie überhaupt seine Musik an diesem Abend in der Philharmonie am besten gefällt, so lebendig stürmt sie voran, so geschickt hat der Komponist sie instrumentiert, zum Beispiel mit einem dicken Choral im Blech über smarter Trommelbegleitung. Noch interessanter freilich als die Frage, ob späte Werke eher reif oder doch schon halb faul sind und warum Frühwerke so oft schlecht beleumundet werden, ist die Konstellation, in die sich das Deutsche Symphonie-Orchester stellt: mit der Amerikanerin Karina Cannelakis am Pult, die sich des Programms mit einem Bewegungsrepertoire aus Stahl und Entschiedenheit zu gleichen Teilen annimmt. Und dem finnischen Geiger Pekka Kuusisto, der die Solopartie in Ligetis Konzert spielt und als Zugabe „ein rumänisches Volkslied“ vorträgt, indem er die Geige wie eine Gitarre zur Hand nimmt und über sanftem Geschrabbel ein lustiges Liedchen pfeift. Es ist übrigens ein Instrument, das er geschwind aus den Reihen des Orchesters klaubt, denn das eigene hatte unter den Anforderungen von Ligetis Violinkonzert Schaden genommen.

Kuusistos unprätentiöse, geradezu heisere Tongebung, das furchtlose Abfiedeln von Repetitionen und Akkordstürzen im Pianissimo, hernach die Schreie (in der letzten Solo-Passage des „Appassionato. Allegro molto“) – alles das ist dazu geeignet, Ligetis ohnehin speziellem Solokonzert einen speziellen Geschmack zu geben. Ein sonderbarer Abend, im besten Sinne.

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