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Tanz um Leben und Tod. Das ist das Motto der Pianisten Yejin Gil und Clemens Hund-Göschel.

© Kai Bienert

Kammermusik bei Young Euro Classic: Alles Tango

Bei Young Euro Classic im Admiralspalast spielt der Akkordeonist Marko Hatlak Astor Piazzolla.

Kammermusik lebt mit dem Paradox, für kleine Gesellschaften geschrieben zu sein, aber meistens vor hunderten Menschen aufgeführt zu werden. So auch am Freitag bei Young Euro Classic. Der Admiralspalast ist voll, auf der Bühne: ein, zwei Künstler. Das Motto: Tanz um Leben und Tod. Für Strawinskys „Sacre“ gilt das ganz offensichtlich, aber auch für Astor Piazzolla, so Patin Bettina Schausten. Sein Tango Nuevo war immer auch Protest gegen die Militärdiktaturen Lateinamerikas. Und Brahms’ „Ungarische Tänze“ feiern das Leben. Die Pianisten Yejin Gil und Clemens Hund-Göschel spielen vierhändig und harmonieren, von kleinen Unsicherheiten abgesehen, innig miteinander. Aber den Saal bringen sie nur auf laue Betriebstemperatur.

Das ändert Marko Hatlak mit seinem Akkordeon. Entspannt und offen, wie ein vertrauter Kumpel spätabends in einer slowenischen Kneipe, erklärt er erst mal, was er gleich spielt. Und schlägt alle in seinen Bann. Piazzollas „Oblivion“ (1972) durchzieht er mit weitem, melancholischem Schmerz. Zu Stücken von Richard Galliano und Ljubiša Pavkovic tappt und ratscht er mit der Hand übers Instrument, singt leise, die Finger setzen an zu sportiven, hypernervösen Sechzehntelketten, die hohen Töne gelingen plastisch, elfenbeinfarben. Dann ein Auszug aus den Goldberg-Variationen: barocke Innigkeit, Kunstbeseeltheit. Tango und Bach, das geht bei Hatlak wunderbar zusammen. Nichts klingt angestrengt, alles fließt.

Nach der Pause schauen zwei gestandene Profis vorbei: Wieland Welzel und Simon Rössler von den Berliner Philharmonikern. Im Arrangement für Marimba- und Vibraphon wird Piazzollas „Tango del diabolo“ zu dem, was Goethe vom Streichquartett sagte: ein angeregtes Gespräch unter vernünftigen Leuten. Aber voller Emotionen. Die fehlen Gil und Hund-Göschel beim finalen „Sacre“. Die monochrome Fassung für zwei Klaviere ist sowieso ein matter Schatten der Orchesterfassung. Und so brav gespielt, wird völlig unverständlich, wie das Stück 1913 in Paris Skandal machen konnte.

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