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Albrecht Mayer

© Harald Hoffmann/DG

Kammerakademie Potsdam: Lebe lieber leidenschaftlich

Oboen-Virtuose Albrecht Mayer dirigiert die Kammerakademie Potsdam im Berliner Kammermusiksaal durch einem Abend mit Werken von Haydn, Mozart, Kozeluh - und einer herben Enttäuschung

In der brandenburgischen Landeshauptstadt gibt es nicht nur einen höchst fantasievoll gestalteten Konzertsaal – vor 15 Jahren erdacht vom mittlerweile sehr gefragten französischen Architekten Rudy Ricciotti –, sondern auch ein tolles Orchester. Die Kammerakademie Potsdam nämlich, eine kleine, kreative Truppe, die sich intensiv mit historischer Aufführungspraxis beschäftigt, keine Angst vor neuen Stücken hat – und Joseph Haydns Sinfonie Nr. 94 genau so spielen kann, wie man es sich wünscht: mit der idealen Balance von Charme und Witz.

Da blitzt nicht nur im berühmten Andante mit dem Paukenschlag der anarchische Esprit des Komponisten durch, da wird die Interpretation von einem starken inneren Puls getragen – und von der Leidenschaft aller Beteiligten. Albrecht Mayer, der Solo-Oboist der Berliner Philharmoniker, der an diesem Abend im Kammermusiksaal nicht nur als Instrumentalsolist fungiert, sondern auch als Dirigent, kann sich da getrost auf die Rolle des mitdenkenden Impulsgebers beschränken.

Von ganz anderer Anmutung ist Jan Antonin Kozeluhs F-Dur-Oboenkonzert: ein harmloses Divertissement, ein Paradebeispiel galanter Unterhaltungskunst. Mit seinem schlankesten, nobelsten Ton erzählt Albrecht Mayer hier Szenen aus dem Leben eines Edelmannes. Formvollendet präsentiert der sich im virtuosen Kopfsatz, ergötzt sich bei Schäferspielen im idyllischen Adagio, um im Finale dann beim Dorffest auch mal keck einen Volkstanz zu wagen.

Ganz leicht lässt Mayer die enormen technischen Schwierigkeiten bei Koszeluh erscheinen. Noch mehr beeindruckt allerdings, wie er für Mozarts „Ch’io mi scordi di te“ vom Repräsentativen zum Privaten wechselt, wie sich sein Klang sofort beseelt bei dieser von treuer Liebe handelnden Arie, etwas zutiefst Menschliches, Verletzliches bekommt.

Solches Einfühlungsvermögen geht Evgenia Rubinova leider völlig ab: Ohne die geringste innere Anteilnahme, als seien es Etüden, buchstabiert sie drei Sätze von Mozarts d-Moll-Klavierkonzert durch. Dabei macht ihr die Kammerakademie vor, was hier atmosphärisch möglich wäre. Zu dieser Nicht-Interpretation fällt einem nur das falsche Goethe-Zitat ein. Statt des Ausrufs „Das also war des Pudels Kern!“ bleibt der Faust-Seufzer: „Ich finde nicht die Spur von einem Geist, und alles ist Dressur.“

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