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Steven Isserlis wurde 1958 in London geboren.

© Satoshi Aoyagi

Kammerakademie Potsdam: Ein Abend unter Freunden

Den Cellisten Steven Isserlis und die Kammerakademie Potsdam verbindet eine enge Künstlerfreundschaft. Das war jetzt wieder auf beglückende Weise zu hören.

Der Solist betritt die Bühne und setzt sich – mit dem Rücken zum Publikum. Steven Isserlis will am Sonntag im Potsdamer Nikolaisaal allerdings kein provokantes Stück eines Bürgerschreck-Avantgardisten aufführen, sondern ein barockes Concerto grosso. Der Cellist ist seit Jahrzehnten ein Star im internationalen Klassikbusiness, bei seinem Auftritt mit der Kammerakademie Potsdam jedoch versteht er sich als Teil des Ensembles. Und bildet darum für das eröffnete Werk von Domenico Scarlatti einen Kreis mit seinen Musikerkolleginnen und -kollegen.

Was nur im ersten Augenblick irritiert. Sobald die kollektive Kommunikation beginnt, wirkt die ungewohnte Aufstellung ganz selbstverständlich. Den Briten und die Kammerakademisten verbindet eine enge Freundschaft, seit Isserlis vor drei Jahren „Artist in residence“ in Potsdam war.

Isserlis hat eine extrem sympathische Ausstrahlung

Mühelos gelingt es ihnen vom ersten Scarlatti-Takt an, vor dem inneren Auge der Zuhörer:innen Bilder von prachtvollen fürstlichen Residenzen des 18. Jahrhunderts entstehen zu lassen. Absolut authentisch wirkt das barocke Klangbild, rhetorisch weniger scharfkantig ausgereizt als bei vielen Originalklang-Orchestern, sanfter in den Konturen und darum freundlicher, galanter.

Was zur ungemein sympathischen Ausstrahlung von Steven Isserlis passt. Seine Mimik zu beobachten, ist eine reine Freude: wie er verschmitzt lächelt, wie die Neugier in seinen Augen aufblitzt! Hier spielt ein Virtuose, der keinerlei Eitelkeit zu kennen scheint, der ganz in der Musik aufgeht, die er interpretiert. Und dabei selber sein aufmerksamster Zuhörer ist.

Isserlis und die Kammerakademie Potsdam im Nikolaisaal.
Isserlis und die Kammerakademie Potsdam im Nikolaisaal.

© Kammerakademie Potsdam

Bei drei der sechs Werke, die auf dem Programm stehen, sitzt der Cellist als gleichberechtigter Musiker zwischen den anderen, bei Scarlatti, bei Händels Concerto grosso HWV 320 und bei Bachs drittem Brandenburgischen Konzert. Letzteres tanzt er seinen Mitspielern förmlich vor, sitzend auf dem Stuhl, aber so ausdrucksvoll, dass eine frühlingshafte Aufbruchsstimmung entsteht, mit kraftvoll vorwärts drängendem Puls und blühener Melodik.

In Boccherinis D-Dur-Cellokonzert entspinnt sich dann ein sehr schöner, inniger Dialog zwischen Steven Isserlis und Peter Rainer, dem Konzertmeister der Kammerakademie. Immer wieder strebt das Cello dabei in jene Höhen, in denen sich sonst die Violinen bewegen – was einen besonders graziösen Effekt macht.

Haydn als Höhepunkt

Erst in den beiden letzten Werken des Abends geht es schließlich ganz solistisch zu. Wie nahe sein Instrument dem Klang der menschlichen Stimme kommen kann, zeigt der Brite mit der Bearbeitung einer Arie aus Mozarts früher Oper „La finta giardiniera“, bei dem er berührend auf den Saiten singt. Und auch bei Haydns 2. Cellokonzert trumpft er nie auf, hält die Musik fein im Fluss, spielt sehr persönlich, ja manchmal geradezu selbstvergessen. Unbedingt vormerken: Mitte November wird Steven Isserlis das nächste Mal in Berlin sein, um mit dem Deutschen Symphonie-Orchester Dvoraks Cellokonzert aufzuführen.

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