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Fabian Altstötter macht als Jungstötter Musik.

© Bianca Phan

Jungstötter live in Berlin: Prinz der Finsternis

Beim ersten von zwei ausverkauften Konzerten im Roten Salon der Volksbühne überzeugte Fabian Altstötter mit seiner neuen Band.

„Können wir es noch ein bisschen dunkler machen? Sonst traue ich mich nicht“, sagt Fabian Altstötter nach zwei Liedern. Der Wunsch ist nachvollziehbar, macht der 27-Jährige, unter dem Namen Jungstötter doch eine hochemotionale, intime Musik. Er selbst nennt sie „sehr, sehr traurig“. Da mag man nicht im gleißenden Licht stehen. Und so dimmt der Techniker die Scheinwerfer im Roten Salon der Berliner Volksbühne, und Altstötter wird sichtlich wärmer mit der Atmosphäre. Er legt auch endlich die hässliche beige Weste mit den vielen Täschchen ab, die mehr zu einem übermotivierten Heimwerker passt als zu dem melancholischen Prinz der Finsternis, als der er sich auf seinem vor vier Wochen erschienenen Debütalbum „Love Is“ präsentiert.

Dessen zehn von Max Rieger produzierte, fein arrangierte Songs sind ein früher Höhepunkt des Popjahres, den man von dem seit einiger Zeit in Berlin lebenden Musiker nicht erwartete hätte. Bekannt geworden mit dem Trio Sizarr, das er als Jugendlicher mit Freunden im pfälzischen Landau gründete, hat sein neuer Sound nichts mehr gemein mit dem hyperaktiven, knalligen Indie-Pop dieser inzwischen aufgelösten Formation.

Sogar seine Stimme, die vor allem auf dem Sizarr-Debüt „Psycho Boy Happy“ (2012) von einer nervösen Aufgekratztheit geprägt war, klingt jetzt anders – gereifter, erhabener, zu sich gekommen. Fabian Altstötters Gesang erinnert nun stark an Nick Cave, mitunter auch an den kürzlich verstorbenen Mark Hollis. Ohne in den Kitsch abzudriften, erreicht er dabei ein Pathosniveau, wie es in guten Momenten hierzulande höchstens noch Get Well Soon gelingt.

Erhabene Melodiebögen

Schon bei „Wound Wrapped In Song“, dem Eröffnungssong, den Altstötter am Klavier sitzend vorträgt, ist die große Ähnlichkeit zu den eleganten Melodiebögen Nick Caves frappierend. Wie sich sein Bariton bei den Zeilen „Feeling the narratives of days boiling up in the airways/ Tell me to whom do you whisper yours“, in die Höhe schwingt, rührt dann aber so sehr an, dass der Vergleich mit dem australischen Meister allmählich in den Hintergrund rückt. Auch weil Altstötter, als er schließlich in der Bühnenmitte steht, eine ganz andere, immer leicht angespannt wirkende Energie entfaltet.

Ein früher Höhepunkt des einstündigen Auftritts ist die Ballade „Silence“, deren Titelzeile er mit einer derartigen Beseeltheit zerdehnt, dass man meint, er falle jeden Moment auf die Knie. Macht er nicht, sondern überlässt es seinen vier Mitmusikern, den Song langsam in die Stille zu führen. Sie adaptieren die Stücke von „Love Is“ trefflich für die Bühne, bringen ihre Drama-Dynamik zum Strahlen und setzen immer wieder kluge eigene Akzente. Etwa wenn Ex-Sizarr-Gitarrist Philipp Hülsenbeck bei „Sally Ran“ finster sägende Kontrapunkte zu Altstötters zartem Gesang erzeugt oder die knallenden Snare-Salven das Noise-Rock-Finale von „Love Is“ vorantreiben – einer der wenigen lauten Momente der Show.

Ein anderer kommt gegen Ende, als Jungstötter den Song „Systems“ erstmals live interpretieren und ihm deutlich mehr Wucht verleihen als auf dem Album. Das schnelle Akustikgitarren-Picking wird mit morsendem Synthesizer-Fiepsen kontrastiert, das Altstötter mit einer E-Gitarre aufgreift. Er singt von einer Niederlage – doch das Konzert im Roten Salon ist ein stiller Triumph.

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