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Julian Casablancas

© Cult Records

Julian Casablancas im Postbahnhof: Glam-Partikel

Mit den Strokes hat Julian Casablancas den Rock'n'Roll gerettet. Danach ging es bergab. Von den letzten Alben nahm die Welt kaum noch Notiz. Im Berliner Postbahnhof spielte Casablancas trotzdem ein großartiges Konzert.

Es ist seltsam ruhig an diesem Abend um den Postbahnhof am Ostbahnhof herum. Keine Schwarzverkäufer oder Kartensuchende auf dem Weg zum Eingang des Clubs, keine Schlangen an der Kasse oder an der Garderobe, kein Gedrängel an der Theke, nichts. Dabei gibt sich doch der New Yorker Musiker Julian Casablancas die Ehre, der mit seiner Band, den Strokes, schon einmal in einer Art Kurt-Cobain-Orbit die Popwelt umkreiste. Am Anfang der nuller Jahre war das, 2001, da erschien das Strokes-Debüt „Is This It“, da wurde der Rock ’n’ Roll ein letztes Mal ultimativ gerettet, mit allem Drum und Dran: Hysterie, Kreisch, Euphorie, ausverkaufte Konzerte in großen Hallen überall auf der Welt. „Is This It“ war ein Versprechen, das die Strokes dann natürlich nie einhalten konnten. Von dem schnodderigen, hingeschlenkerten Garagenrock sind sie lange weg, ihr Sound ist experimenteller geworden, enthält haufenweise New-Wave- und-Elektronik-Momente, und umso smarter die Alben ausfallen, desto weniger nimmt die Welt noch Notiz davon.

Auch Julian Casablancas, der Leadsänger der Strokes, hat keine Lust, sich unentwegt an „Is This It“ messen zu lassen, wenn er sich solo oder mit seiner Band The Voidz austobt, mit der er gerade das Album „Tyranny“ veröffentlicht hat. Ziemlich pummelig steht er da auf der Bühne des Postbahnhofs, mit einer Vorne-lang-Ohren-frei-hinten-lang-Frisur und einem dunkelblauen 44er-Houston-Sportblouson, direkt aus den eklektizistischen neunziger Jahren gefallen, wie es scheint, während seine fünfköpfige Band sich aus Frank-Zappa-Stephen- Stills-Lookalikes zusammensetzt.

Wie im CBGBs 1976

Es ist gar nicht leicht, die Musik von Casablancas zu verorten: Düster-trashig ist das alles, unruhig, aber nicht wirklich funky, gitarren-garagenrock-lastig, oft bestimmt der Keyboarder das Geschehen. Casablancas singt quengelig-verzerrt, als würde seine Stimme durch tausend Filter gejagt, immer unverständlich, oft in schönster Liam-Gallagher-Pose: Schulterschiefstand, rechte unten, linke hoch, Kopf quer dazu und leicht zurück. Ja, der Mann ist ein Popstar, und manche Stücke, die einfachen, schnörkellosen, punklastigen, „Crunch Punch“ oder „Where No Eagles Fly“, sondern haufenweise Glam-Partikel ab. Da fühlt man dann sich im Postbahnhof des Jahres 2014 wie im CBGBs des Jahres 1976.

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