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Was wäre, wenn...Ein dystopischer Roman von Martin Schäuble

© Hanser

Jugendthriller: Wenn Deutschland dicht macht

In Martin Schäubles dystopischem Roman „Endland“ kommen Nationalisten an die Macht

In Deutschland stellt die Nationale Alternative den Kanzler und die Grenzen werden dicht gemacht. Die Bundeswehr hat den Auftrag, niemanden mehr hineinzulassen. Botschaften in Ländern der Dritten Welt werden geschlossen, denn mit denen will man nichts mehr zu tun haben, mit dem eigenen Botschaftspersonal auch nicht mehr. Aus der Europäischen Union ist Deutschland ausgetreten und den Euro hat man auch nicht mehr. Ein ungemütliches Bild von Deutschland schildert der Journalist Martin Schäuble in seinem Roman „Endland“. Im Mittelpunkt stehen der junge Bundeswehr-Soldat Anton, der mit seinem Freund Noah an der Grenze seinen Dienst schiebt. Anton ist voll auf Linie der neuen Regierung, findet alles gut und richtig, was die Nationale Alternative vertritt. Er plappert rechtes Gedankengut nach, ohne groß darüber nachzudenken.

Schäuble erzählt seinen Roman aus verschiedenen Perspektiven, was die Spannung enorm erhöht. Anton erlebt zum ersten Mal einen bewaffneten Einsatz nachts an der Grenze zu Polen gegen „Invasoren“, wie jetzt Geflüchtete heißen. Ausgerechnet Noah, der gegen Atomkraft und gegen die Alternative ist, verliert die Nerven und schießt ein ganzes Magazin im Wald leer, bis die beiden merken, dass viele Kinder unter den „Invasoren“ sind. Sie fassen niemanden. Dafür erleben sie, wie ihr Theaterausbilder „aus gesundheitlichen Gründen“ mitten im Unterricht gegen einen linientreuen Ausbilder der Nationalen Alternative ausgetauscht wird, was selbst den überzeugten Anton stutzig macht.

Die zweite zentrale Figur in Schäubles Roman ist die junge Äthiopierin Fana, mit der der Roman beginnt. Fana geht in Addis Abeba zur Schule, lernt Deutsch und Englisch und arbeitet in einem Krankenhaus. Die deutsche Ärztin Karla will Fana für ihr Krankenhaus in der weit entlegenen Afar-Region abwerben, um als Übersetzerin auszuhelfen. Sie verspricht ihr eine gute Bezahlung, denn Fana möchte gerne einmal Medizin studieren. Karla hat wegen der Nationalen Alternative Deutschland verlassen, ist politischer Flüchtling in Afrika. Eine verkehrte Welt für Fana, die so viel von Deutschland hält.

Flucht und Abschottung

Es dauert eine Weile, bis sich die beiden Erzählstränge berühren. Aus Antons Perspektive erfahren wir mehr über dieses neue Deutschland und seine rechte Regierung. Von Fana lernen wir mehr über die katastrophale Situation in Afrika und den Wunsch vieler Afrikaner, nach Europa zu fliehen. Die Folgen des Klimawandels werden spürbar und Äthiopien droht eine neue Hungerkatastrophe. Ausgerechnet Karla, die nach Äthiopien geflohen ist, will Fana helfen, um ihrem Traum eines Medizinstudiums näher zu kommen. Dazu müsse sie sich als Eritreerin ausgeben und vor politischer Verfolgung nach Deutschland fliehen, als Äthiopierin habe sie dagegen keine Chance.

Martin Schäuble hat für seinen Roman in rechten Milieus, in Äthiopien, in der Welt der Hacker und der Flüchtlingsunterkünfte gründlich recherchiert. Er spinnt einfach das fort, was sich in unserer Zeit mit Trump, Brexit, Populismus, AfD und Flüchtlingen zusammengebraut hat. Er schildert eine Welt, in der man sich nicht mehr wohl fühlt, die kalt und herzlos ist und die scheinbar nichts aus der Geschichte gelernt hat. Mag sein, dass einiges in diesem Roman konstruiert wirkt und die pädagogische Absicht durchschimmert, aber vielleicht erreicht Schäuble mit seiner Geschichte von Anton, Fana und Noah Jugendliche, um sie über die Folgen ihrer Denkweisen aufzuklären.

Es soll nicht zu viel verraten werden, aber Fana gelangt auf abenteuerlichen Wegen schließlich nach Deutschland, wo die beiden Erzählstränge zusammengeführt werden. Ein perfider Plan einer radikalen Splittergruppe der Nationalen Alternative scheint aufzugehen. Dieser Gruppe ist die aktuelle Regierung noch zu harmlos und zu lasch. Das stellt Anton vor eine große Herausforderung.

Hier zeigt Martin Schäuble, wie eine Situation im rechten Milieu eskalieren und außer Kontrolle geraten kann und die Menschen vor schwerwiegende Entscheidungen stellt. Noch haben nicht alle ihren Verstand gegen ihre Gesinnung eingetauscht – das immerhin lässt hoffen.

Natürlich ist das alles Fiktion. Vor zehn Jahren hätte man den Roman aber noch als Science-Fiction abgetan. Heute ertappt man sich aber dabei, dass vieles leider doch nicht so unwahrscheinlich erscheint. Wachsamkeit ist geboten, um die Demokratie zu verteidigen. Dazu trägt Schäuble bei.

Martin Schäuble: Endland. Roman. Hanser Verlag, München 2017. 224 Seiten. 15 €. Ab 14 Jahren.

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