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Engagiert. Jürgen Schitthelm, Gründer und Direktor der Schaubühne Berlin, im Jahr 2012 in seiner Charlottenburger Wohnung.

© Kitty Kleist-Heinrich

Jürgen Schitthelm zum 80.: Der Theater-Rekordmann

Leidenschaftlich, streitbar und locker: 1962 gründete Jürgen Schitthelm in Berlin die Schaubühne und leitete sie 50 Jahre lang. Nun wird er 80 Jahre alt.

Er ist immer da. Man kann sich darauf verlassen. Bei jeder größeren Premiere der wichtigeren Berlin Bühnen – und auch eigentlich bei den kleineren Anlässen – sitzt Jürgen Schitthelm im Parkett. Seit Jahrzehnten. Eine offizielle Zählung gibt es nicht, aber mit einiger Sicherheit gehört er zu den Weltrekordhaltern, was die Menge von Premierenbesuchen betrifft. Das macht ihn nicht nur zum Grandseigneur, sondern auch zu einer gleichsam alterslosen Erscheinung der an Charakterköpfen nicht gerade überreichen Berliner Kulturszene.

Die hat er maßgeblich mit geprägt. Jürgen Schitthelm, der an diesem Montag seinen 80. Geburtstag feiert, gründete 1962 mit Freunden die Schaubühne – am Halleschen Ufer. „Zufällig stand am kriegszerstörten Halleschen Ufer in einer Brache ein Neubau der Arbeiterwohlfahrt leer, die dort einen Veranstaltungssaal hatte, aber kaum Besucher, weil ihre Mitglieder zumeist Ost-Berliner und durch den Mauerbau abgeschnitten waren. Insofern profitierten wir von der Mauer, außerdem lagen ja nun die meisten Theater der Stadt im Osten“, erzählte er dem Tagesspiegel vor ein paar Jahren in einem Gespräch.

Er war Statist am Berliner Ensemble und studierte an der Freien Universität. Wenn man mit Jürgen Schitthelm spricht, dann erfährt man viel über die Berliner Stadtgeschichte: „Anfang der Sechzigerjahre gab es in West-Berlin noch 13 Tages- und Abendzeitungen mit ihren aktuellen Nachtkritiken, es gab Friedrich Lufts ,Stimme der Kritik’ als Radiokultsendung – da hatten wir selbst als junges Privattheater mit geringen Subventionen starke Resonanz. Nur aus unserer Kreuzberger Nachbarschaft kam damals noch kaum jemand. Die paar Theatergänger von dort fuhren samstags lieber fein gemacht zum Boulevard an den Kurfürstendamm.“

Vom Halleschen Ufer ging es dann an den Lehniner Platz

Nach triumphalen Jahren am Halleschen Ufer, mit Inszenierungen von Grüber, Stein, Wilson, zog die jetzt weltberühmte Schaubühne eben dorthin, an den oberen Ku’damm, zum Lehniner Platz. Schitthelm leitete als Direktor das Haus bis 2012, Deutschlands dienstältester Theaterchef. Die Schaubühne ist de jure ein Privattheater, also steckt in einer solchen Leitungsfunktion immer auch ein privates Restrisiko. Schitthelms Engagement – er war fast ebenso lang im Bühnenverein aktiv – ist unübertroffen, seine Auftritte in parlamentarischen Gremien legendär. Wie er mit Stimmgewalt und weit ausholender Gestik die Abgeordneten von der Notwendigkeit höherer Zuschüsse fürs Theater zu überzeugen wusste.

Schitthelm hat die Schaubühne – viele Jahre mit Dieter Sturm, Klaus Weiffenbach und später mit Friedrich Barner, der heute ihr Direktor ist – durch manchmal wild bewegte Zeiten geführt. 1999/2000 gelang der Neustart mit Thomas Ostermeier und Sasha Waltz. Kaum ein Haus hält sich über diese halbe Ewigkeit so solide und gleichzeitig so offen, und fast immer mit großem Erfolg. Gesellschafter der Schaubühne ist Schitthelm immer noch, zusammen mit Friedrich Barner, Thomas Ostermeier und Tobias Veit. Leidenschaftlich, streitbar, sportlich und locker, so soll er sich noch viele Jahre ins Premierengeschehen stürzen.

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